Sally Lightfoot

Many people have spoken at length of the Sally Lightfoots. In fact, everyone who has seen them has been delighted with them. The very name they are called by reflects the delight of the name. These little crabs, with brilliant cloisonné carapaces, walk on their tiptoes. They have remarkable eyes and an extremely fast reaction time. In spite of the fact that they swarm on the rocks at the Cape, and to a less degree inside the Gulf, they are exceedingly hard to catch. They seem to be able to run in any one of four directions; but more than this, perhaps because of their rapid reaction time, they appear to read the mind of their hunter. They escape the long-handled net, anticipating from what direction it is coming. If you walk slowly, they move slowly ahead of you in droves. If you hurry, they hurry. When you plunge at them, they seem to disappear in little puffs of blue smoke—at any rate, they disappear. It is impossible to creep up on them. They are very beautiful, with clear brilliant colors, reds and blues and warm browns. We tried for a long time to catch them. Finally, seeing fifty or sixty in a big canyon of rock, we thought to outwit them. Surely we were more intelligent, if slower, than they. Accordingly, we pitted our obviously superior intelligence against the equally obvious physical superiority of Sally Lightfoot. Near the top of the crevice a boulder protruded. One of our party, taking a secret and circuitous route, hid himself behind this boulder, net in hand. He was completely concealed even from the stalk eyes of the crabs. Certainly they had not seen him go there. The herd of Sallys drowsed on the rocks in the lower end of the crevice. Two more of us strolled in from the seaward side, nonchalance in our postures and ingenuousness on our faces. One might have thought that we merely strolled along in a contemplation which severely excluded Sally Lightfoots. In time the herd moved ahead of us, matching our nonchalance. We did not hurry, they did not hurry. When they passed the boulder, helpless and unsuspecting, a large net was to fall over them and imprison them. But they did not know that. They moved along until they were four feet from the boulder, and then as one crab they turned to the right, climbed up over the edge of the crevice and down to the sea again.

Man reacts peculiarly but consistently in his relationship with Sally Lightfoot. His tendency eventually is to scream curses, to hurl himself at them, and to come up foaming with rage and bruised all over his chest. Thus, Tiny, leaping forward, slipped and fell and hurt his arm. He never forgot nor forgave his enemy. From then on he attacked Lightfoots by every foul means he could contrive (and a training in Monterey street fighting had equipped him well for this kind of battle). He hurled rocks at them; he smashed at them with boards; and he even considered poisoning them. Eventually we did catch a few Sallys, but we think they were the halt and the blind, the simpletons of their species. With reasonably well-balanced and non-neurotic Lightfoots we stood no chance.

(John Steinbeck: The Log from the Sea of Cortez. Penguin Books, 1986. Seite 72-73)

Viele haben ausführlich über Sally Lightfoots berichtet. Jeder, der sie kennt, ist entzückt von ihnen. Dieses Entzücken spiegelt sich schon in ihrem Namen wider. Diese kleinen Krebse mit ihrem prächtigen Cloisonné-Panzer laufen auf Zehenspitzen. Sie haben bemerkenswert gute Augen und eine extrem schnelle Reaktionen. Obwohl die Felsen am Kap und in etwas geringerem Ausmaß auch im Golf geradezu von ihnen wimmeln, sind sie äußerst schwer zu fangen. Sie scheinen in alle vier Richtungen laufen zu können; aber schlimmer noch: wohl wegen ihrer blitzartigen Reaktion können sie anscheinend die Gedanken ihres Jägers lesen. Sie entkommen dem langstieligen Netz, denn sie sehen die Richtung vorher, aus der es kommt. Geht man langsam, läuft die Schar langsam vor einem her. Läuft man schnell, werden sie ebenfalls schneller. Stürzt man sich auf sie, scheinen sie in einer kleinen blauen Staubwolke zu verschwinden – jedenfalls sind sie dann weg. Es ist unmöglich, sich an sie anzuschleichen. Sie sind wunderschön, mit klaren, brillanten Farben aus Rot-, Blau- und warmen Brauntönen. Wir versuchten lange, sie zu fangen. Als wir schließlich fünfzig, sechzig von ihnen in einer großen Felsspalte sahen, planten wir, sie zu überlisten. Immerhin sind wir doch intelligenter als sie, wenn auch langsamer. Demzufolge setzten wir unsere offensichtlich überlegene Intelligenz gegen die ebenso offensichtliche physische Überlegenheit der Sally Lightfoots ein. Am oberen Ende der Spalte ragte in der Nähe ein Felsbrocken empor. Einer aus unserer Gruppe nahm heimlich einen Umweg und versteckte sich mit dem Netz in der Hand hinter dem Felsen. Er war komplett vor den Stielaugen der Krebse verborgen, und mit Sicherheit hatten sie ihn nicht in Stellung gehen sehen. Die Schar von Sallys döste auf den Felsen am unteren Ende der Felsspalte. Wir beiden anderen schlenderten von der Seeseite aus heran, in lässiger Körperhaltung und mit unschuldiger Mine. Man hätte denken können, dass wir nur so dahin spazierten, versunken in Gedanken, die mit Sally Lightfoots nicht das Geringste zu tun hatten. Nach einer Weile bewegte sich der Schwarm ebenso lässig vor uns her. Wir ließen uns Zeit, sie ließen sich Zeit. Sobald sie – hilflos und nichts Böses ahnend – den Felsbrocken passierten, würde sich ein großes Netz auf sie stürzen und sie gefangen nehmen. Aber davon wussten sie nichts. Sie liefen weiter, bis sie einen guten Meter vor dem Felsen waren, um dann – wie auf Kommando – alle gemeinsam rechts abzubiegen und über die Klippe der Spalte hinweg in Richtung See zu verschwinden.

In seiner Beziehung zu Sally Lightfoot verhält sich der Mensch auf eigentümliche, aber gleichbleibende Weise. Letztendlich neigt er dazu, Flüche herauszuschreien, sich auf sie zu stürzen, um am Ende vor Wut schäumend und mit blauen Flecken am Oberkörper dazustehen. Auch [unser Kamerad] Tiny sprang nach vorne, rutschte aus, fiel, und verletzte sich am Arm. Nie hat er seither seine Feinde vergessen oder ihnen vergeben. Seit damals attackierte er Sally Lightfoots auf jede erdenkliche und hinterhältige Weise (sein Training in den Straßenkämpfen Montereys kam ihm für diese Art von Kampf sehr zugute). Er bewarf sie mit Steinen, schlug mit Brettern nach ihnen, und überlegte sogar, sie zu vergiften. Zu guter Letzt fingen wir doch noch ein paar Sallys, aber wir glauben, dies waren die Lahmen und Blinden ihrer Art. Gegen halbwegs ausgeglichene und nicht-neurotische Lightfoots hatten wir keine Chance. (Übersetzt von Andreas)

Santa Rosalia

22. – 27. April 2022

Wenn wir längere Zeit in abgeschiedenen Ankerbuchten verbracht haben, dann brauchen wir eine Weile, um uns wieder an den Trubel einer Stadt zu gewöhnen. Nicht so in Santa Rosalia. Hier ist es ruhig, wie in einem Western-Film, wenn in der Mittagshitze vereinzelt jemand ganz ohne Eile unterwegs ist. Bis Mitte der 1980er Jahre wurde hier allerdings in einem großen Hüttenwerk Kupfererz aus den umliegenden Minen verarbeitet, es muss staubig und schwarz gewesen sein, vom Rauch und Ruß, der aus den Schornsteinen ununterbrochen ausgestoßen wurde. Davon ist heute in Santa Rosalia überhaupt nichts mehr zu merken.

Wir ankern am späten Nachmittag im geschützten Hafenbecken und fahren mit dem Dinghi zur Marina. Es ist ein winzig kleiner Yachthafen, er besteht aus einem einzigen langen Steg mit Liegeplätzen, gegenüber an der Kaimauer befindet sich der Schwimmsteg der Tankstelle, überall ist viel Platz zum Manövrieren. Das Büro der Marina Fonatur hat schon geschlossen, also unterhalten wir uns mit den beiden Marineros, die den kleinen Hafen bewachen. Die Liegegebühren in der Marina sind so günstig, dass wir beschließen, die nächsten Tage am Steg festzumachen. Es ist ja doch um einiges bequemer und die Aussicht auf eine tägliche Süßwasserdusche verlockend.

Santa Rosalia ist „dreidimensional“, wie Andreas feststellt, als wir anschließend in den Ort laufen. Der Stadtkern befindet sich in einem schmalen Tal, die Straßen sind fast alle rechtwinklig angelegt, die alten kleinen Holzhäuser dicht an dicht gebaut. Dazwischen liegen ein paar schöne Plätze und kleine Parks. Alle weiteren Straßen ziehen sich in Windungen die Berge hoch. Was uns sofort auffällt: überall schöne Bänke, Straßenlaternen und Zäune aus Schmiedeeisen, die Häuser sind liebevoll renoviert und bunt gestrichen, viele Blumen in den Vorgärten, auf der Veranda und in den Fenstern. Schatten spendende Bäume und Blumenbeete säumen den Gehweg. Wir haben noch nie eine Stadt gesehen, in der es so viele Blumenläden gibt wie hier: in jeder zweiten Ecke entdecken wir eine „Floreria“. An diesem Abend sind auf dem großen Platz vor dem Rathaus Tische aufgebaut, Lehrerinnen und Kinder zeigen, was sie alles im Kunstunterricht gezeichnet und gebastelt haben.

Wir kommen auch an der Kirche Santa Barbara vorbei, in der gerade eine Hochzeit stattfindet. Diese Kirche ist eine der vielen Sehenswürdigkeiten der Stadt. Gustave Eiffel (ja, der mit dem Eiffel-Turm in Paris) hat sie entworfen, sie besteht aus Fertigteilen aus Metall und wurde 1910 auf der Weltausstellung in Brüssel gezeigt. Eigentlich war sie einer Gemeinde im Kongo versprochen, aber auch Santa Rosalia brauchte unbedingt eine Kirche und hat sich offensichtlich gegen die afrikanische Gemeinde erfolgreich durchgesetzt.

In den nächsten Tagen schauen wir uns Santa Rosalia genauer an und entdecken, wie viel Geschichte in dieser Stadt steckt und wie ausführlich und mit Liebe zum Detail sie aufgearbeitet und präsentiert wird.

Auf einer Anhöhe mit einem großartigen Blick aufs Meer befindet sich das Gebäude der ehemaligen Firmenzentrale von „El Boleo“, der französischen Firma, die die Minen und das Hüttenwerk betrieben hatte. Heute ist hier das städtische Museum untergebracht. Im alten Tresorraum befinden sich noch die großformatigen Firmenbücher, in denen in akkurater Handschrift Soll und Haben eingetragen wurden. In diesem Museum lernen wir so einiges über die Geschichte der Firma, die Kupferverarbeitung, den Transport weg aus dieser Wüstengegend. Und wir lesen auf den Schautafeln ganz überrascht von deutschen Segelschiffen, die hier auf Reede lagen. Unsere Neugier ist geweckt, Andreas recherchiert weiter und findet im Internet viele spannende Informationen darüber.

Die Häuser, die sich unmittelbar an die ehemalige Firmenzentrale anschließen, bilden das alte „Franzosenviertel“, die Straßen sind nach berühmten Franzosen benannt. Hier wohnten früher vor allem die Ingenieure und Angestellten von „El Boleo“. Auch diese Häuser sind schön gepflegt und verfügen über ein Stück Garten und eine große Veranda, wo man den kühlenden Wind zwischen Blumen und Kakteen genießen kann. Alle Holzhäuser von Santa Rosalia haben mehr oder weniger einen einheitlichen Grundriss und sind im gleichen Stil gebaut. Es sieht auch beim Hausbau alles nach Fertigbauteilen aus; Holz, Blech und Stahl wurden von weither gebracht, hier in der Wüste wachsen ja nur Kakteen, sonst nichts.

Gleich am Ufer, nur ein paar Schritte von der Marina entfernt, sind drei Stollen in den Berg gehauen worden, die mit großen Schautafeln in Spanisch und Englisch an den Eingängen zur Besichtigung einladen. Tag und Nacht brennt Licht darin und beleuchtet die Fotos an den Wänden mit alten Ansichten der Stadt, der Eisenbahn und der ehemaligen Kupferminen. Dazwischen hängen alte, inzwischen recht rostige Schaufeln, Spitzhacken und andere Geräte an der Wand, auf einem Tisch sind Gesteinsproben ausgelegt. Sogar eine alte Lore voller Steine hat man hierher gebracht. Bis 19.00h abends ist immer jemand vom Tourismusamt da, der den Besuchern auf Wunsch eine Führung anbietet. Einmal laufe ich vorbei und sehe einen älteren Herren, der den beiden Führern etwas erzählt. Ich geselle mich dazu und erfahre, dass er früher in einer der Kupferminen gearbeitet hat. Er beschreibt mit lebhaften, ausladenden Gesten sehr anschaulich, wie schwer diese Arbeit war. Ein anderer Mann kommt hinzu und bringt ein paar kleinere Gesteinsbrocken mit Kupfererz darin, die sofort zu den anderen Mineralien auf den Tisch ausgelegt werden. Auch er ist ein ehemaliger Minenarbeiter, der seinen Beitrag zu dieser Ausstellung leisten möchte.

Einer der jungen Führer meint, wenn wir mehr über die Kupferverarbeitung wissen wollen, so sollten wir unbedingt am nächsten Vormittage zur alten Kupferhütte gehen. Ab neun Uhr morgens sei regelmäßig ein ehemaliger Angestellter dort, der viel zu erzählen habe. (Siehe die Beiträge von Andreas!)

Wir sind ganz begeistert von dieser Stadt und nehmen uns vor, im Herbst auf dem Rückweg unbedingt ein paar Tage hier zu verbringen, es gibt sicher noch einiges zu entdecken. Von der Esskultur der Franzosen ist – soweit wir das in dieser kurzen Zeit auf den ersten Blick feststellen konnten – nur die Traditionsbäckerei übrig geblieben. Hier soll es das beste Baguette von ganz Baja California geben. Nur: es war immer ausverkauft. Vielleicht haben wir ja das nächste Mal Glück und stehen rechtzeitig frühmorgens vor der Bäckerei, um ein echtes französisches Baguette zu erstehen.

Auf alle Fälle werden wir uns aber mit den köstlichen Weizen-Tortillas eindecken, die hier in der „Tortilleria“ frisch gebacken werden.

Punta San Telmo (Punta Prieta)

San Telmo war für uns eine der schönsten Buchten an der Küste zwischen La Paz und Loreto! Das Besondere an dieser Bucht ist der rote Sandstein, der sich in ganz unterschiedlicher Gestalt und Farbschattierung zeigt. Wir konnten uns nicht satt sehen und haben bestimmt jeden Felsen und jeden Stein in dieser Bucht fotografiert.

Hier blieben wir fast eine Woche lang, verbrachten ruhige und gemütliche Tage. Die meisten Segelboote ankerten eine Bucht weiter, so dass wir die meiste Zeit ganz alleine waren.

Jeden Vormittag wanderten wir einen anderen Abschnitt des Strandes und des Hinterlandes ab. Kurz vor Sonnenuntergang fuhr Andreas zu den schwarzen Felsriffen am nördlichen Ende der Bucht zum Angeln. Die größte Herausforderung des Tages war der Blick in den Kühlschrank und die Überlegung, wie wir den Fisch mit welchen Zutaten zum Abendessen zubereiten könnten, denn uns gingen langsam die Rezepte und Ideen aus.

Blick in die nächste Bucht Richtung Norden

Blick ins „Hinterland“, zwischen den Büschen liefen wir schmale Pfade entlang, die von Kojoten und Dickhornschafen ausgetreten waren.

Auch die Möwen, Tölpel und Pelikane ließen sich von uns nicht stören, blieben weiter in Ruhe auf ihren Felsen sitzen, wenn wir näher kamen.

Segelpause in La Paz

In diesem Jahr ist es in der Baja California voll. Viele Segler, die wegen der Pandemie in den letzten beiden Jahren nicht weiter segeln konnten, sind in Mexiko geblieben. Wie wir auch. Hinzu kam dann ein doppelter Jahrgang der Rally „Baja Ha Ha“, mit über 200 Booten, die letzten November in San Diego (USA) gestartet waren und in den Golf hineingesegelt sind. Viele von ihnen sind in La Paz (Mexiko) geblieben. So waren wir gut beraten, schon Monate im Voraus einen Platz in einem der Yachthäfen von La Paz zu reservieren, wo wir die Muktuk während unseres fünfwöchigen Aufenthalts in Deutschland parken wollten.

Eine Woche vor dem Abflug waren wir bereits da und während wir mit den Vorbereitungen der Abreise beschäftigt waren, klopfte es am Schiff: Hallo Muktuk! Vor zwei Jahren hatten uns Anja und Thomas über gemeinsame Freunde eine E-Mail geschrieben und wir hatten Informationen zu Japan und Alaska ausgetauscht. Sie sind 2020, also genau ein Jahr nach uns, diese Route gesegelt. Leider begann die Pandemie, während sie in Japan waren. Die beiden stammen aus der deutschsprachigen Schweiz und reisen auf ihrem Segelboot Robusta seit vielen Jahren um die Welt. Wie schön, dass wir uns nun persönlich kennen lernen durften und uns gegenseitig viele Geschichten über unsere Reisen erzählen konnten.

Als wir dann Anfang April nach La Paz zurück kamen, entdeckten wir wiederum am gegenüberliegenden Steg die Chamade, das Boot eines Paares aus der französischen Schweiz, die wir letztes Jahr kurz in Ensenada getroffen hatten. Sie sind schon seit 20 Jahren unterwegs, haben als Freiberufler weiter für den Rundfunk gearbeitet und von ihren Reisen berichtet. Einige Filme und Tonaufnahmen kann man auch von ihrem Blog abrufen. Und sie waren ebenfalls vor einigen Jahren in Japan und Alaska unterwegs. So gingen wir dann an einem Abend zu sechst in der Bar „Estrella del Mar“. Nebenan saß eine Hochzeitsgesellschaft an einem langen Tisch, das Brautpaar wurde kurz zuvor am Strand unter einem weißen Baldachin getraut. Als musikalische Begleitung hatten sie eine traditionelle Band engagiert, und zur Freude und Überraschung der Braut sang der Bräutigam zwei Lieder für sie. Wir bewunderten seine gute Stimme und es wäre auch schön gewesen, länger zuzuhören. Aber wir entschlossen uns nach einer Weile, doch weiter zu ziehen, denn wir saßen gleich neben den Musikern und hätten ständig gegen die Musik anschreien müssen. Wir wollten uns schließlich alle ein bisschen besser kennen lernen und hatten nur diesen Abend dafür Zeit, bevor wir in verschiedene Richtungen weiter segeln würden.

Dieses Mal haben wir es in einer Rekordzeit von nur vier Tagen geschafft, die Muktuk reisefertig zu machen und die Marina zu verlassen und das trotz Jetlag: Einen neuen Kurscomputer für den Autopilot hat Andreas eingebaut, ein Lager für die Rollanlage der Genua ausgetauscht, den Schwarzwassertank geklebt, eine Winsch gewartet und noch ein paar Kleinigkeiten mehr.

Dann haben wir eine große Einkaufstour zum Supermarkt unternommen und zwei von diesen Lastenwägelchen der Marina voll mit überwiegend haltbaren Sachen zur Muktuk gebracht. Und zuletzt ging ich noch ein letztes Mal zu den Märkten in der Stadt, um frisches Obst und Gemüse zu holen.

In den nächsten knapp drei Monaten wollen wir den nördlichen Teil des Golfs von Kalifornien erkunden und da soll es nicht viele Einkaufsmöglichkeiten geben, dafür aber viele schöne einsame Ankerbuchten.

Wir nutzen die windstille Pause aus, legen auch eine Nachtfahrt ein, um so schnell wie möglich nach Norden zu kommen, denn wir wollen bis Anfang Mai möglichst aus der Hurrikan-Zone raus sein.

Obsidian

Punta Pulpito 17. – 19. Januar 2022

Eine letzte Bucht wollen wir noch weiter nördlich anschauen, bevor wir uns auf den Rückweg nach La Paz machen. Am frühen Morgen holen wir den Anker hoch und fahren raus aus der Caleta San Juanico. Gut zwei Stunden später haben wir Punta Pulpito erreicht und ankern gut geschützt durch ein kleines felsiges Riff vor einem hohen grauen Berg. Wenn man genau hinschaut, sieht man dunkelgraue, fast schwarze Adern im Gestein: das soll Obsidian sein, von dem im Revierführer berichtet wird.

Wir fahren mit dem Dinghi einmal ums Riff herum auf die Außenseite der Bucht und durch den Felsbogen hindurch. Andreas muss ganz aufmerksam manövrieren, denn die Strömung erzeugt ein kabbeliges Wasser und die kleinen kurzen Wellen sind unberechenbar.

Zurück auf der Muktuk sitzen wir gemütlich im Cockpit, als auf einmal ein Wal neben uns schnauft. Später zieht eine größere Gruppe von Schweinswalen am Riff vorbei und eine große Schildkröte schwimmt ruhig und still im Wasser, nur ihr Kopf ragt zeitweilig heraus, sonst hätten wir sie gar nicht entdeckt.

Am nächsten Morgen sehen wir, dass ein kleines Fischerboot in die Bucht gekommen ist. Am späten Vormittag fahren wir zu ihnen. Sie bereiten gerade ein deftiges Frühstück zu, nachdem sie die ganze Nacht gefischt und ein paar wenige Stunden geschlafen haben. Juan, der ältere der drei Fischer, ist der Besitzer der Panga, er stellt uns seinen Schwiegersohn und seinen Adoptivsohn vor, seine Lehrlinge. Sie angeln überwiegend nachts mit langen Leinen und sind in der Regel zwei Tage lang unterwegs, so lange hält das Eis in den großen Boxen. Den Fisch liefern sie einem Händler ab, mit dem sie einen entsprechenden Vertrag abgeschlossen haben. Wenn der Nordwind im Winter zu sehr bläst und sich eine unangenehme See aufbaut, bleiben sie lieber im Hafen. Juan erklärt stolz und selbstbewusst, dass er seinen Beruf liebt, dieses Gefühl der Freiheit auf dem Meer nicht gegen eine andere Arbeit eintauschen möchte.

Wir verabschieden uns, wünschen ihnen weiter viel Glück und fahren zum Ufer. Es ist gar nicht so einfach, eine gute Stelle zu finden, um an Land zu gehen. Überall sind dicke runde Steine und es ist ein mühseliges Unterfangen, am steilen Ufer das Dinghi unbeschadet hoch zu ziehen. Also versuchen wir, das Beiboot mit einer Landleine und einem Heckanker im Wasser schwimmen zu lassen. Später finden wir zwischen den vom Wasser ausgewaschenen Felsen doch noch ein besseres Plätzchen.

Wir laufen unter von Wind und Wellen ausgewaschenen Felsüberhängen, kraxeln rauf und wieder runter und staunen: so viele verschiedene Gesteinsformationen und Farben haben wir noch nie auf einmal beieinander gesehen: ein Fest für Geologen! Vermutlich durch die tektonischen Verschiebungen können wir nun den ehemaligen Meeresboden in luftiger Höhe betrachten. Wie alt die versteinerten Muscheln und Knochen wohl sein mögen?

Am nächsten Morgen stehen wir etwas früher auf, wir wollen noch unbedingt auf den großen Berg mit der Obsidian-Ader klettern. Direkt am Ufer unter der Steilwand liegen zwischen den dicken runden Steinen einige große Brocken aus Obsidian. Weiter oben, links davon, wird der Boden sandiger. Kakteen und die üblichen stacheligen Sträucher säumen den schmalen Wanderweg. Im weißen Sand liegen überall kleine schwarze Steinchen herum, ganz so, als ob ein Zuckerbäcker Schokostreusel auf einer Torte verteilt hätte. Ich kann nicht widerstehen und sammle eine ganze Tüte voll mit diesen kleinen Splittern von Obsidian. Der Sand hat sie ein bisschen glatter geschliffen, sie schimmern nun wie schwarzes Glas und fühlen sich in der Hand leicht ölig an.

Wir nähern uns von Osten her auf der Rückseite dem Felsen, müssen über einen schmalen Grat laufen, links und rechts fällt das Gelände steil ab. Ich merke, dass ich nicht mehr so ganz schwindelfrei bin und schaue lieber nicht in die Tiefe sondern konzentriere mich darauf, einen Fuß vor den nächsten zu setzen.

Von oben haben wir einen großartigen Blick auf die nächste Bucht in Richtung Norden. Wir entdecken in der Ferne vier weiße Pünktchen, wie auf einer Schnur aufgereiht. Mit dem Fotoapparat zoomen wir sie heran: es sind kleine offene Segelboote.

Als wir wieder zurück auf der Muktuk sind, sehen wir den vier Booten zu, wie sie in unsere Bucht herein kreuzen. Sie ankern mit den Booten ziemlich dicht am Ufer und schlagen an Land ihr Lager auf. Ein paar Tage später sehen wir sie noch einmal bei der Isla Carmen und erfahren, dass sie eine Gruppe von College-Studenten aus den USA sind, die mit ihren Betreuern drei Monate lang unterwegs sind. Zu Fuß, mit diesen kleinen Segelbooten und später mit Kajaks erkunden sie die Baja California.

Ziegen gibts überall…

Caleta San Juanico 14. – 17. Januar 2022

Knapp 20 Seemeilen nördlich von Loreto befindet sich eine große Bucht namens San Juanico, die nicht nur bei den Seglern sehr beliebt ist. Wohnmobile und Zelte stehen in den Dünen der nördlichen Ecke der Bucht. Am Sandstrand spielen Kinder im seichten Wasser, Erwachsene umrunden mit dem Schlauchboot oder dem Paddelbord den dicken malerischen Felsen, der in der Mitte der Bucht aus dem Wasser ragt.

Auch wir wollen wir uns ein bisschen bewegen und fahren zum südlichen Strandabschnitt, der durch einige Felsen vom Campingplatz abgetrennt ist. Dahinter entdecken wir eine schmale Lagune, die sich offensichtlich weit ins Landesinnere hinein zieht. Ein kleiner von Pferdehufen ausgetretener Pfad führt am Rand der Lagune entlang. Wieder bestaunen wir Felsen mit bizarren Formen und Kakteen in unterschiedlichsten Größen und Farben. Schließlich sehen wir in der Ferne auch die Pferde, die auf den kleinen grünen Flecken stehen und grasen.

Wir gehen weiter, lassen uns von den Pferdespuren und dem ausgetrockneten Flussbett leiten, bis wir auf einmal Stimmen hören, Türen schlagen zu und ein Auto fährt weg. Ein paar Meter noch schlagen wir uns durch ein Dickicht aus Sträuchern und Kakteen bis wir auf eine staubige Schotterstraße stoßen. Auf der gegenüberliegenden Seite der Straße befindet sich eine kleine Ranch: eine Oase mitten im Nirgendwo. Neugierig gehen wir zur Umzäunung, wo uns ein Mann mittleren Alters freundlich begrüßt. Sicher, sehr gerne dürfen wir uns umsehen und bittet uns auf den Hof.

Er führt uns zu einer schattigen Terrasse mit Tischen und Stühlen, am Geländer sind viele schön gearbeitete Sattel und anderes Reitzubehör aufgehängt. Hier kann man Touren mit den Pferden buchen, die wir in der Lagune gesehen haben. Und dann zeigt er uns das halboffene Gewächshaus! Mitten in der Wüste gedeihen hier grüne Zwiebeln, Salate, rote Beete, Rucola, Radieschen, Peperoni und Tomaten. Das Wasser für die Ranch muss er allerdings mit dem Auto in Tanks hierher transportieren lassen, erklärt uns der Mann. Und eigentlich kann er nur in den vergleichsweise kühleren Wintermonaten das Gemüse ziehen, im Sommer sei es dafür viel zu heiß. Wir würden so gerne etwas davon mitnehmen, haben aber leider kein Geld eingesteckt. Macht nichts, winkt er ab, wir können auch später zahlen. So gehen wir mit ihm durchs Gewächshaus und er zupft immer mal wieder was für uns aus der Erde. Am Ende ist die Tüte mit voll mit frischen grünen und roten Sachen!

In einem Gehege nebenan laufen ein paar Zicklein hin und her und nicht weit davon, unter einem Baum im Schatten steht ein jüngerer Mann, neben ihm hängen geschlachtete und fertig ausgenommene Tiere. Wir fragen nach, ja, es sind junge Ziegen und zum Verkauf gedacht. Wir müssen nicht lange überredet werden, eine ganze mitzunehmen, denn so groß sind sie ja doch nicht. Ich erzähle dem Mann, dass wir früher in Siebenbürgen viele Jahre lang 2-3 Ziegen hatten. Daraufhin möchte er wissen, wie denn das Wetter in Europa sei und was die Ziegen dort fressen würden. Er schaut mich ganz ungläubig an, als ich von saftigen grünen Wiesen und Sträuchern im Sommer erzähle und von kalten Wintern, in denen man die Tiere mit Heu füttern musste.

Wir bitten die beiden Männer um etwas Geduld, wir müssten erst zum Boot zurück. Nein, nein, versichern sie uns, es sei nicht nötig, den ganzen Weg noch einmal hin und her zu laufen. Am Strand beim Campingplatz stünde ein gelbschwarzes Wohnmobil, darin wohne ein Mann namens Gregorio (George). Wir könnten ihm das Geld geben, er würde sowieso jeden zweiten Tag zur Ranch fahren. Und wenn wir George und den anderen Campern und Seglern doch Bescheid geben könnten, dass sie frisch geschlachtete Zicklein hätten. Wir bedanken uns überschwänglich für ihr Vertrauen und hoffen, dass wir im April wieder vorbei kommen können!

Isla Coronados

Wieder einmal müssen wir Schutz vor dem Nordwind suchen und ankern vor der Isla Coronados  noch in Sichtweite der Stadt Loreto. Es bläst ganz ordentlich, und obwohl wir durch die Insel vor uns geschützt sind, baut sich eine kleine steile See auf. Am nächsten Tag lässt der Wind nach und der Berg ruft!

Am Strand auf der Südseite der Insel, entdecken wir einen Weg, der mit Steinen und ausgebleichten Korallen gesäumt ist und sich durch die strauchige Landschaft schlängelt.

Wir folgen diesem hübschen Pfad und sind neugierig, wohin er uns führt. An einer Weggabelung gehen wir nach links. Auf einem Bohlenweg erreichen wir einen lauschigen kleinen Strand auf der Westseite der Insel. Ein idyllisches Plätzchen für Tagestouristen.

Wir gehen zurück zur Abzweigung und nehmen den Weg, der zum Berg führt. Eine Weile noch, solange der sandige Boden es zulässt, ist der Weg weiter mit Steinen gesäumt.

Vor manchen Sträuchern ist ein von der Sonne verwitterte Schild in den Sand gesteckt mit dem spanischen und lateinischen Namen der Pflanze darauf. So lerne ich endlich, wie ein Jojoba-Strauch aussieht!


Jojoba

Kurz darauf erreichen wir den steinigen Teil der Insel. Der Weg ist streckenweise kaum noch zu erkennen, die Markierungen bestehen nun aus sporadisch aufgebauten Steinhaufen. Bewundernswert, wie sich die Sträucher und Kakteen zwischen den Felsbrocken festhalten!

Als wir einen der Sträucher streifen, steigt ein ganz besonderer würziger Geruch in unsere Nase: eine Mischung aus Wachholder, Zitrone und Clementine. Wenn man an den kleinen Knospen des Strauches reibt, verstärkt sich der feine Duft. Leider haben wir nicht herausfinden können, wie dieser Strauch heißt.

Unter unseren Schritten klirrt an manchen Stellen das vulkanische Gestein, als ob wir auf Glasscherben gehen würden.

Diese Heuschrecke genießt die Wärme und lässt sich nicht vom Lärm unserer Schritte verscheuchen.

Das letzte Stück zum Gipfel hoch ist nicht lang, aber steiler, als es hier auf dem Foto aussieht. Feines Geröll erschwert ein bisschen den Aufstieg in der Mittagshitze.

Oben weht aber ein kühlender Wind und wir haben einen herrlichen Blick nach allen Seiten aufs Wasser und die umliegenden Inseln.

Loreto

„From the sea the town was buried in a grove of palms and greenery. We dropped anchor and searched the shore with our glasses. A line of canoes lay on the beach and a group of men sat on the sand by the canoes and watched us; comfortable, lazy-looking men in white clothes. When our anchor dropped they got up and made for the town. Of course, they had to find their uniforms, and since Loreto was not very often visited and since the Governor had not recently been there, this may not have been so easy. There may have been some scurrying of errand-bound children from house to house, looking for tunics or belts or borrowing clean shirts. Señor the official had to shave and scent himself and dress. It all takes time, and the boat in the harbor will wait. It didn’t look like much of a boat anyway, but at least it was a boat.
One fine thing about Mexican officials is that they greet a fishing boat with the same serious ceremony they would afford the Queen Mary, and the Queen Mary would have to wait just as long. This made us feel very good and not rebellious about the port fees – absent in this case! We came to them and they made us feel, not like stodgy people in a purse-seiner but like ambassadors from Ultra-Marina bringing letters of greeting out of the distances.”
(John Steinbeck: The Log from the Sea of Cortez. Penguin books, 1986. Seite 204f)

„Von See aus gesehen lag die Stadt inmitten eines Palmenhains im Grün verborgen. Wir gingen vor Anker und suchten das Ufer mit dem Fernglas ab. Eine Reihe Kanus lag am Strand, neben ihnen saß eine Gruppe von Männern im Sand und sah uns zu, gemütliche, träge aussehende, weiß gekleidete Männer. Als unser Anker fiel, erhoben sie sich und machten sich auf den Weg in die Stadt. Sie mussten natürlich ihre Uniformen finden, und weil Loreto nicht oft besucht wurde, und auch der Gouverneur nicht erst kürzlich hier war, war das vielleicht keine ganz einfache Sache. Vielleicht mussten Kinder von Haus zu Haus auf der Suche nach Rock und Gürtel losgeschickt werden, oder ausschwärmen, um saubere Hemden auszuborgen. Der Señor vom Amt musste sich rasieren, parfümieren und einkleiden. Das alles braucht seine Zeit, und das Boot im Hafen wird warten. Das Boot sah zwar ohnehin nach nichts Besonderem aus, aber immerhin war es ein Boot.
Hierin sind mexikanischer Amtspersonen mustergültig: sie begrüßen ein Fischerboot mit der gleichen ernsthaften Förmlichkeit, die sie auch der Queen Mary angedeihen lassen würden, und die Queen Mary würde ebenso lange warten müssen. Das gab uns ein gutes Gefühl, und so regten wir uns auch nicht über die Hafengebühren auf – die es in diesem Fall nicht gab! Wir kamen zu ihnen, und fühlten uns nicht wie langweilige Seeleute auf einem Fischerboot behandelt, sondern wie Botschafter aus Ultra-Marina, die Grußbotschaften aus der Ferne brachten.“ (Übersetzt ins Deutsche von Andreas)

Gut 80 Jahre später: die Palmen sind immer noch da, der Sandstrand ebenfalls. Wahrscheinlich neu ist ein kleiner durch einen Wellenbrecher geschützter Hafen für Ausflugs- und Fischerboote. Wir passen da nicht rein und ankern bei sehr ruhiger See direkt davor. Offiziell anmelden muss man sich heutzutage auch nicht mehr, dachten wir. Aber nachdem wir unser Dinghi an einem schmalen Steg im Hafen angebunden haben, bedeutet uns der Wachmann am Tor, wir müssten erst zum Hafenbüro gehen. Dort erklärt uns ein Angestellter, dass wir eine Gebühr zu entrichten hätten und zwar 1. für das Beiboot, 2. für uns beide und 3. für die beiden Müllbeutel, die wir in die große Tonne am Steg gestopft haben: alles zusammen gerechnet bezahlen wir umgerechnet 20 EUR. Die Gebühr für den Stadtbesuch und das Bewachen des Beibootes sei jeden Tag aufs Neue zu entrichten, merkt der Hafenmeister fast schon entschuldigend an, allerdings habe er uns für den heutigen Tag die Gebühr nur für eine Person berechnet.
Wir schütteln etwas verwundert den Kopf über diese neuen Regelungen und die flexible Umsetzung und machen uns auf den Weg. Auch dieses Mal verbinden wir das Pflichtprogramm (Wäscherei und Supermärkte) mit dem Vergnügen, eine neue Stadt zu erkunden.

An dieser Stelle ein kleiner historischer Exkurs: Loreto ist die älteste sogenannte „Mission“ auf der mexikanischen Halbinsel Baja California. Von hier aus begannen die Jesuiten im Jahr 1697  die einheimische Bevölkerung zum Christentum zu bekehren, in dem sie weitere Missionen auf der Baja California gründeten. Bereits 1535, also mehr als 150 Jahre früher, hatte Hernán Cortéz (Wikipedia), vergeblich versucht, hier einen Stützpunkt zu bauen. Wer mehr über die Geschichte der Missionen lesen möchte: Spanische Missionen in Kalifornien (Wikipedia)

Das heutige Loreto mit seinen rund 20.000 Einwohnern setzt auf Individualtourismus ohne Hotelburgen und Kreuzfahrtschiffe. Touren zu den prähistorischen Höhlenmalereien (mit Jagdszenen) in den Bergen werden ebenso angeboten wie Kajak-Touren oder Tagesausflüge in umgebauten Fischerbooten zu einsamen Stränden an der Küste oder bei den angrenzenden Inseln.


Ein altes Hotel mit einem Innenhof im Kolonialstil


Pension mit Garten

Der zentrale Platz von Loreto ist sehr gemütlich und einladend gestaltet mit Bänken, einem Pavillon und Schatten spendenden Palmen, so freundlich und offen wie sich auch die ganze Stadt präsentiert.

Während wir durch die Straßen laufen, können wir immer mal wieder einen Blick in liebevoll gepflegte grüne Vorgärten werfen. Manche Häuser haben als Aufbau ein freistehendes mit Palmwedeln bedecktes Dach. In den Sommermonaten kann es hier sehr heiß werden und da ist eine kühlende Brise abends auf dem Dach sicher willkommen.

In der Fußgängerzone, die von der Uferpromenade abgeht, verdichtet sich die Anzahl der Restaurants und Cafés. Dazwischen gibt es Andenkenläden, die neben viel unnützem Kram doch auch schönes Kunsthandwerk aus vielen Teilen Mexikos anbieten. Ein Laden hat es mir ganz besonders angetan, dort verbringe ich einen halben Nachmittag damit, mir die Webarbeiten (Tischläufer, Tücher und Teppiche) anzusehen, alle aus der Provinz Oaxaca, die für ihre farbenfrohen Arbeiten bekannt ist.


In der Fußgängerzone wird groß und deutlich auf die Maskenpflicht hingewiesen


Ein Impfangebot für Kinder unter 8 Jahren, am schwarzen Brett eines Supermarktes gesehen

Nach zwei Tagen Flaute frischt der Wind auf, der Ankerplatz vor der Stadt wird zu schaukelig. In der Früh fahren wir mit dem Dinghi noch schnell zum Arroyo, dem trockenen Flussbett, am südlichen Rand der Stadt. Hier wird jeden Sonntagvormittag auf einem Platz oberhalb des Arroyo ein kleiner Markt aufgebaut. Wir füllen unsere Rucksäcke noch einmal mit viel frischem Obst und Gemüse und kaufen von diesem liebevoll dekorierten Stand noch Ziegenkäse und Fleisch. Jetzt sind wir wieder für eine Weile autark und können in Ruhe die Inseln des Nationalparks um Loreto herum erkunden.

Höhlenmalereien

Im Revierführer wird erwähnt, dass man hier von der Bucht Agua Verde eine Wanderung zu Höhlenmalereien unternehmen könnte. Vom kleinen Sandstrand unserer Nordbucht führt ein schmaler Trampelpfad einen Berg hoch und ins angrenzende Tal wieder runter. In der Senke angekommen, sehen wir links einen kleinen aufgelassenen Friedhof, die schweren Grabsteine sind verfallen und liegen schief in der Erde, die meisten Gräber sind aus den 1950er und 1960er Jahren.

Der Weg geht weiter zu einer Lagune, ein kleiner Vogel mit einer lustigen Sturmfrisur zwitschert fröhlich in der Vormittagswärme.

Diese Lagune ist nicht besonders groß, hat aber einen beeindruckenden Palmenwald. Manche dieser Stämme ringeln sich wie riesige schuppige Schlangen auf dem Boden zusammen, so etwas haben wir noch nie gesehen!

Wir erreichen die Stelle, an der das Meereswasser durch einen schmalen Kanal in die Lagune strömt. Ein beherzter Sprung mit dem Risiko im Wasser zu landen, oder Schuhe aus und durch waten…

Vor uns liegt nun der lange Nordstrand, an dem sich die großen Wellen brechen. Schon wieder eine ganz andere, neue Topographie. In der Brandungszone ist der Boden voller Steine und Geröll, weiter oben gibt es körnigen Sand, der ganz leicht mit schwarzem Staub bepudert ist.

Ein kleiner Krebs hat sich perfekt an diese Farben und Strukturen angepasst, fast hätte ich ihn übersehen, wäre er nicht hektisch geworden und ein Stück weit über den Sand gesaust.

Bizarre Figuren, Fabelwesen erheben sich aus dem Sand, mehr oder weniger von Menschenhand zusammen gestellt und drapiert.

Kurz bevor der Strand endet, führt zwischen den Sträuchern ein Weg ins Landesinnere. Wir folgen den Reifenspuren im Sand bis wir auf der rechten Seite eine kleine Steinpyramide sehen. Hier beginnt ein steiler Pfad, auf dem man zwischen den stacheligen Sträuchern und Kakteen den Berg hoch zur Höhle gelangt, wo sich die Wandmalereien befinden: ein paar Handabrücke auf einem kalkweißen Felsen als Zeugnis urzeitlicher Besiedlung.


Blick von der Höhle über den Strand

Auf dem Rückweg ist das Wasser schon soweit gefallen, dass wir es wagen können, direkt am felsigen Abschnitt des Nordufers entlang zu gehen. Austernfischer holen sich Kleingetier aus dem Wasser, sie haben eine reiche Auswahl: unter jedem Stein, den wir umdrehen, leben Würmer, Schnecken, Seesterne und Seeigel.

Die Felsen sind von Wind und Wasser angeknabbert, wir staunen jedes Mal über die vielen verschiedenen Formen, Farben und auch über die Zusammensetzung des Gesteins. Eine einsame Palme hat sich hier angesiedelt und hält tapfer die Stellung gegen Wind und Wellen.

Am späten Nachmittag gehen wir noch mal an diesen Strand, suchen ein paar Muscheln und versuchen, das goldene Licht der Abendsonne auf Fotos einzufangen.

Bahia Agua Verde

30. Dezember 2021 – 07. Januar 2022


Auf dem Weg zur Bahia Agua Verde

Bevor der Nordwind wieder ordentlich zu blasen anfängt und es draußen auf dem freien Wasser des Golfes ungemütlich wird, verziehen wir uns rechtzeitig in die Bahia Agua Verde.
Es ist eine große Bucht mit zwei Ankerplätzen, einen im Süden und einen im Norden. Dazwischen liegt das gleichnamige Dorf in einem von hohen Bergen umgebenen Tal. Wir steuern den nördlichen Ankerplatz an und suchen uns hier ein Plätzchen für die nächsten Tage. An der Stirnseite der Bucht befindet sich ein schmaler Sandstrand mit einem kleinen Campingplatz, der von einem alten Mann mit Hund behütet und gepflegt wird. Als wir ankommen stehen da ein paar der typisch kastenförmigen Wohnmobile aus den USA oder Kanada, die aussehen, als ob ein Pickup oder ein LKW zu einem fahrenden Heim umgebaut wurde. So verwunschen und zauberhaft diese Ecke der Bucht auch ist, bei Nordwind wird es ungemütlich und die Camper ziehen weiter.

„That night we rigged a lamp over the side, shaded it with a paper cone, and hung it down to the water so that the light was reflected downward. Pelagic isopods and mysids immediately swarmed to the illuminated circle until the water seemed to heave and whirl with them. The small fish came to this horde of food, and on the outer edges of the light ring large fishes flashed in and out after the small fishes. Occasionally we interrupted this mad dance with dip-nets, dropping the catch into porcelain pans for closer study, and out of the nets came animals small or transparent that we had not noticed in the sea at all.” (John Steinbeck: The Log from the Sea of Cortez. Penguin books, 1986. Seite 180f)
„In der Nacht brachten wir an der Bordwand eine Lampe aus, schatteten sie mit einem Kegel aus Papier ab und hängten sie so über die Wasseroberfläche, dass ihr Lichtschein nach unten fiel. Meerasseln und Schwebegarnelen schwärmten sofort zum Lichtkegel hin, bis das Wasser von ihnen zu wogen und zu brodeln schien. Die kleinen Fische kamen zu dieser Masse an Nahrung, und am Rande des Lichtkreises schnellten große Fische den kleinen Fischen nach. Gelegentlich unterbrachen wir diesen irren Tanz mit Keschern, gossen den Fang in Porzellanschalen zur genaueren Untersuchung, und aus den Netzen kamen so kleine oder durchsichtige Tiere, dass wir sie im Wasser überhaupt nicht gesehen hatten.“ (Übersetzung ins Deutsche von Andreas)

Schon am ersten Abend in der Bucht hören wir das Platschen der Fische, die teilweise aus dem Wasser hüpfen, im Inneren des Bootes klingt es, als ob manche von ihnen dabei an die Bordwand stoßen würden. Andreas kramt unseren starken Handscheinwerfer heraus und leuchtet damit ins Wasser. Und es passiert genau das, was wir später bei Steinbeck nachlesen. Zuerst versammeln sich viele kleine undefinierbare Pünktchen im Lichtkegel bis auch kleine Dornhechte vom Licht angelockt werden. Sobald wir das Licht etwas schwenken, sehen wir, wie einige größere Fische vor dem Licht fliehen. Wir wollen wissen, was es mit den winzigen kleinen schwebenden Teilchen auf sich hat und holen mit der Pütz ein paar Liter Wasser hoch, gießen es durch ein Küchentuch und versuchen erst mit der Lupe dann mit dem Mikroskop zu erkennen, was da alles im Wasser geschwommen ist. Es wimmelt und wuselt nur so von kleinen Krebsen, Krabben und Fischlarven.
Am nächsten Morgen ist der Himmel bedeckt. Auf einmal beginnt es zu regnen und will gar nicht mehr aufhören. So einen Wolkenbruch haben wir hier in Mexiko bisher noch nicht erlebt! Wenn überhaupt, dann gab der Himmel ein paar Tropfen ab oder ließ einen feinen Sprühregen für gerade mal 10 Minuten los. Wir hätten richtig viel Regenwasser sammeln können, so wie wir das in Neuseeland und Alaska regelmäßig taten, aber da wir hier mit einem so heftigen und ausgiebigen Regenguss nicht gerechnet haben, glauben wir, dass es jeden Moment aufhören könnte und schauen nur staunend zu. Irgendwann ist es dann doch vorbei mit der nassen Herrlichkeit und wir können unseren geplanten Ausflug ins Dorf machen. Vom kleinen Sandstrand aus kann man nur bei Niedrigwasser direkt am Ufer entlang laufen, ansonsten muss man auf der Schotterstraße den Berg hoch, runter ins Tal und um einen weiteren Berg herum wandern. Von oben sieht das Dörfchen eigentlich ganz grün aus. Die Häuser verteilen sich im Tal zwischen erstaunlich vielem Grün. Auch ein grüner Gürtel aus dichtem Strauchwerk schützt das Dorf vor der Brandung des langen Sandstrandes. Auf einem handgemalten Schild werden die Sehenswürdigkeiten aufgezählt: 2 Kirchen, 4 Schulen, 2 Restaurants, 3 Läden, Wifi. Und, was nicht auf dem Schild steht, uns aber ein Junge stolz berichtet: für die 300 Einwohner des Dorfes gibt es eine Tortilleria, das mexikanische Pendant zur Bäckerei.

„Was für ein Regen!“, alle mit denen wir an diesem Tag sprechen, erwähnen den Regen. Die ausgedörrte Erde konnte so viel Wasser gar nicht aufnehmen, die staubigen Wege im Dorf haben sich in rutschigen Schlamm verwandelt und wir versuchen, die großen Pfützen vorsichtig zu umgehen.
Heute hat nur einer der drei Läden geöffnet, ein kleines Regal mit Obst und Gemüse, zwei Gänge mit haltbaren Gütern in Säcken und Konserven und großen Kühltruhen fürs Fleisch. Von dem frischen Ziegenkäse, der hier im Dorf hergestellt wird, nehmen wir ein großes Stück mit.
Auf dem Rückweg treffen wir oben am Berg einen Mann, der gerade von einem gemauerten Gebäude oberhalb der Straße herunter kommt. Wir sprechen ihn an und er erzählt uns, dass es sich um die Wassertanks des Dorfes handelt, die er betreut. Er wollte mal nachsehen, ob nach dem Regen alles in Ordnung sei. Zu diesem Wassertanks laufen Leitungen aus schwarzem Kunststoff in verschiedene Richtungen. Das Wasser kommt aus einem 9 Kilometer weit entfernten Teich oben im Gebirge und wird dann wiederum durch Leitungen hinunter ins Dorf geführt. Wir erzählen ihm von der Entsalzungsanlange in San Evaristo, und fragen ihn, ob das nicht auch eine Alternative für dieses um so viel größere Dorf sei? Vor allem, wenn es immer weniger regnet? Ja, über eine solche Anlage habe man vor einem Jahr auch hier diskutiert, sich aber dagegen entschieden. Ob es daran scheiterte, dass das Wahlversprechen der Lokalpolitiker, eine solche Anlage finanziell zu fördern, nicht eingehalten wurden? So genau haben wir das nicht verstanden, es fehlt uns dafür leider der nötige Wortschatz. Wie so oft überschätzt auch dieser nette Wasserwart unsere Sprachkenntnisse. Viele unserer Gesprächspartner glauben, dass wir sehr gut Spanisch sprechen würden, nur weil wir ein paar wenige und viel geübte Gesprächsthemen über Herkunft, Reisen, Fragen nach ihren Familien und ihrem Leben relativ flüssig beherrschen. So entgehen uns leider immer wieder Feinheiten bei komplexeren Themen. Der Wasserwart will seinerseits auch viel über Deutschland wissen, ob es wirklich so grün sei und so viel regnen würde, und erkundigt sich nach unterirdisch fahrenden Zügen, die würde er gerne einmal sehen, er sei so fasziniert von Tunnels. Wir hoffen, unsere Antworten waren für ihn einigermaßen verständlich und verabschieden uns nach einer Weile ganz herzlich von ihm.

Warum aber nun heißt diese Bucht „Agua Verde“, grünes Wasser? An manchen Stellen schimmert das Wasser in der Sonne türkis und grün, wie in so manchen anderen Buchten auch. Ist es vielleicht grüner als anderswo? An Sylvester finden wir eine mögliche Erklärung. Es ist eine buchstäblich sternenklare Nacht, kein Mond, der die Finsternis durchbricht, auch kein Streulicht vom Land her. Wir lassen nur noch das Rotlicht im Boot an und gewöhnen unsere Augen an die Dunkelheit. Im Wasser dagegen blitzt und blinkt und sprüht es grüne neonfarbene Funken! Der Golf von Kalifornien (Sea of Cortez) ist bekannt für seine Biolumineszenz, dafür, dass es an vielen Stellen fluoreszierende Algen und Tierchen im Wasser gibt. Hier in unserer Bucht sind sie in dieser Nacht in einer besonders hohen Konzentration vorhanden, was bedeutet, dass die kleinen Tierchen, aber auch die vielen Fische, die nachts an die Oberfläche kommen, durch ihre Bewegung die Algen zum Leuchten bringen. So sehen wir kurze oder lange grün leuchtende Streifen wie ein Feuerwerk durchs Wasser ziehen. Und dann erscheint auf einmal eine kompakte hellgrün schimmernde Wolke im Wasser, die sich zu einer Kugel formt, wieder verformt und schließlich einen großen Ring bildet. Der Ring öffnet sich, wird zu einer Schlange, dann wieder eine diffuse Wolke, um anschließend erneut einen Ring im Wasser zu zeichnen. Es ist „spooky“, wir erinnern uns an das Umschlagbild von Frank Schätzings Roman „Der Schwarm“. Und nein, es lag nicht daran, dass wir schon leicht angeheitert mit Sekt auf das Neue Jahr angestoßen hatten. Um dieser geisterhaften Erscheinung auf den Grund zu gehen, leuchten wir versuchsweise mit der Taschenlampe auf den Ring: da tanzt gerade ein ganzer Schwarm Sardinen durchs Wasser! Schade, dass wir keine Fotos davon machen konnten, so müssen wir unsere geneigten Leserinnen und Leser bitten, sich dieses Schauspiel mit viel Fantasie anhand unserer Beschreibung vorzustellen.


Pelikane im südlichen Ankerplatz


Blick von oben auf den südlichen Ankerplatz