Tatau auf den Marquesas

Taiohae
Taiohae ade…

Die Tätowierung, bzw. Tatauierung (Polynesisch) auf den Marquesas ist ein Bestandteil ihrer austronesischen Kultur, die sie mitgebracht hatten, als die Inseln besiedelt wurden. Hier, durch ihre isolierte Lage, entwickelten sich ganz eigene Motive und die Kunst der Tatauierung erreichte eine einzigartige Perfektion. Die Männer erhielten im Teenager-Alter in einer speziellen Zeremonie die ersten Tatauierungen und im Laufe ihres Lebens wurde nach und nach der ganze Körper mit Zeichnungen und Mustern bedeckt. Die Frauen allerdings durften sie nur hinter den Ohren, an Armen, Händen und Beinen tragen.

Tatauierungen waren kostspielig, die Meister wurden meist in Schweinen bezahlt, so dass die Anzahl der Verzierungen sicher auch ein Zeichen des sozialen Status innerhalb eines Stammes bedeutete.

Die ersten Zeichnungen der Tatauierungen gab es von der russischen Expedition unter Krusenstern um 1800. Die schönsten aber hat Karl von den Steinen in seinem dreibändigen Werk „Die Marquesianer und ihre Kunst“ festgehalten. Als er 1897 die Inseln bereiste, fand er allerdings nur noch unter den über 40jährigen Männern Tatauierungen vor. Die Missionare und die französische Kolonialregierung hatten in den vergangenen Jahrzehnten sehr erfolgreich das Verbot der Körperbemalung durchgesetzt, , ebenso wie sie viele andere zeremonielle Traditionen verbaten. Also suchte Karl von den Steinen in entlegenen Tälern und auf der Insel Ua Pou, wo die Gendarmerie nicht alles kontrollieren konnte, alte Tataumeister auf und ließ sich u.a. von ihnen die Motive und Verzierungen aufzeichnen.

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Erst 1985 hob der damalige Bischof der Marquesas Le Cleac’h das offizielle Verbot auf. Dank der Vorlagen aus verschiedenen Büchern, hauptsächlich aber aus dem Werk von Karl von den Steinen, konnte diese Tradition wieder aufleben. Sein Werk ist heute die „Bibel“ der Tataumeister.

Inzwischen ist fast jeder Mann auf den Inseln tatauiert, einige wenige sind über und über mit Zeichnungen bedeckt. Die meisten haben eine Schulter, oder Teile des Oberkörpers oder der Oberschenkel ausgewählt, andere wiederum haben auch im Gesicht Tatauierungen, entweder halbseitig oder vom Hals ausgehend über das Kinn. Oft sieht man auch „work in progress“, wenn schon die Umrisse des nächsten Musters eingezeichnet sind und im nächsten Schritt ausgefüllt werden müssen. Auch viele Frauen tragen inzwischen wieder Tatauierungen, und nicht nur hinter dem Ohr und an den Armen, manchmal sieht man auch auf dem Rücken eine schöne Verzierung.

In früheren Jahrhunderten gab es wohl überwiegend ornamentale Tatauierungen, in der Zeit zwischen den Expeditionen von Krusenstern und den Forschungsarbeiten von Karl von den Steinen kamen auch stilisierte Darstellungen von Menschenköpfen und Tieren dazu. Bischof Le Cleac’h wiederum hat das „marquesianische Kreuz“ eingeführt, das zwischen den Ornamenten auch überall auftaucht und mit Stolz getragen wird.

Seitdem Tatoos auch in der westlichen Welt gesellschaftsfähig geworden sind, legen sich viele Touristen hier unter die Nadel. Und natürlich auch sehr viele Segler, jeder zweite, so scheint es, fährt mit einem Souvenir auf der Schulter oder am Oberarm weiter. Es ist tatsächlich nicht einfach, sich der Faszination dieses Körperschmucks zu entziehen, wenn er hierzulande mit solch einem Stolz getragen wird.

Tänzer

Krieger

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Ganzkörper

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Der große Feiertag auf Nuku Hiva

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8Umzug

Wir liegen wieder in der schönen weitläufigen Bucht von Taiohae auf Nuku Hiva. Es ist der 14. Juli, Nationalfeiertag im „Mutterland“ Frankreich und auch hier ein großer Tag zum Feiern. Das Wetter macht mit, der Regen vom Vortag ist einem strahlenden Sonnenschein gewichen.
Bereits um 8h werden feierlich die Flaggen Frankreichs, Französisch-Polynesiens und den Marquises hoch gezogen. Um 9h versammeln sich die Gruppen zum Festzug und ziehen einige hundert Meter an der Uferpromenade entlang bis zur Festhalle neben dem Rathaus. Am Tag zuvor wurde bereits ein großer Baldachin aufgespannt, mit viel Grün und Blumen geschmückt, Stühle darunter aufgestellt. Da sitzen in der ersten Reihe die weltlichen und kirchlichen Würdenträger, dahinter etliche ältere Damen, alle in bunten Kleidern und mit schönen Blumenkränzen auf dem Kopf.

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Erst kommen die Kindergarten-Kinder mit ihren Tanten, dann die Pfadfinder, ein paar Sportgruppen, die Fischer-Genossenschaft, verschiedene Vereine und einige Tanzgruppen. Nicht nur die Tanzgruppen führen ein bisschen was vor, fast alle tanzen mindestens ein paar Schrittfolgen der traditionellen Tänze. Eine kurze Ansprache für den Bürgermeister, eine Blumenkette wird überreicht, dann verteilen sie sich auf den Uferwiesen.

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Begleitet werden sie alle von fünf Trommlern, die in der prallen Sonne neben dem Zelt stehen und unermüdlich die wildesten Rhythmen produzieren!

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Die Feuerwehr sorgt mit ihrem Auftritt für unfreiwillige Komik. Sie marschieren in voller Montur auf, schwere Stiefel, schwarze Uniform, silberne Helme und sollten linksrum sich drehen, um vor dem Bürgermeister stehen zu bleiben. Der Chef aber gibt den Befehl, rechtsrum! Und so drehen sie sich zum Meer und zeigten ihm den Rücken. Großes Gelächter… verwirrte und verlegene Gesichter, aber dann probierten sie es noch mal, und alles ist gut.

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Am Schluss zeigen sich noch die Reiter – in phantasievollen Verkleidungen und mit kunstvollen Paradeschritten führten sie ihre Pferde vor und jeder macht respektvoll Platz. Pferde sind hier noch sehr oft im Einsatz, viele kleine Wege und steile Hänge können nur mit ihrer Hilfe bewältigt werden.

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Neben der Veranstaltungshalle wurden in den letzten Wochen etliche Bauten aufgestellt, Restaurantzelte, Buden… Zwischen den Zelten fängt gleich nach dem Umzug eine der Tanzgruppen an zu tanzen, immer in Begleitung der Trommler.

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Aber der Höhepunkt des Tages war die Darbietung der Gruppe von Fabienne, aus einem der Täler des Ortes.
Vor vier Wochen etwa hatten wir die Gelegenheit eine Probe an einem Abend mit anzuschauen. Fabienne, ganz die strenge Tanzlehrerin und voller Leidenschaft, arbeitete konzentriert mit den Laientänzern aus ihrem Viertel, jung und alt. Jeden Abend, fünf Tage die Woche wurde einstudiert. Von den Proben kannten wir schon etliche der Lieder und Tänze, so dass wir uns auch auf die Kostüme konzentrieren konnten: mit so viel Liebe zum Detail hergestellt, alles aus Naturfasern, Palmenblätter, geflochten oder geringelt, Federn, der Hals-Schmuck aus geschnitzten Knochen bei den Männer, dazu phantasievolle Gürtelschnallen. Die Tätowierungen kommen bei diesen Darbietungen so richtig zur Geltung, mit etwas Ruß die Gesichter geschwärzt und schon sehen die Jungen und Männer ganz schön martialisch aus.
Wir sind von dem Gesamteindruck erschlagen! So unglaublich rasant und schön haben sie getanzt, eine tolle Choreographie war das. Alle diese Tänze zeigen keineswegs eine Südsee-Idylle, es sind eher Kriegstänze, erzählen von Überfällen, Anschleichen, Kämpfen…

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Fab3

Fab4

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Am Nachmittag gibt es allerlei Spiele und Wettbewerbe: Boule, Kokosnüsse schälen, klopfen und raspeln, Tauziehen. Die Menschen sitzen in Gruppen zusammen, in der Halle, zwischen den Zelten, am Ufer im Gras, essen, trinken, Kinder hüpfen herum, mit Eis oder Zuckerwatte in der Hand, eine schöne Festtagsstimmung.
Später tritt noch eine Musikgruppe namens „Takanini“ auf, sie zeigen ein sehr schönes Musikvideo, traumhafte Aufnahmen von den Bergen der Inseln, den Menschen, Tänze.
Auf youtube kann man die Videos auch anschauen:


Den ganzen Juli über wird gefeiert, auf allen Inseln, jedes Wochenende hat ein spezielles Programm mit Misswahlen, Tanzwettbewerben, bei denen die besten Gruppen der Orte bzw. der Inseln gekürt werden, danach bis nach Mitternacht Disco.
„Rikuheeee! Rikuhiiii!…“, so beginnt der Refrain eines der beliebtesten Lieder, und der begleitet uns noch einige Tage als Ohrwurm (anhören).
Wie gern bliebe ich noch hier, aber wir müssen bald weiter und uns von diesen zauberhaften Inseln verabschieden.

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24 Stunden

67 Seemeilen sind es von unserer Ankerbucht auf Tahuata bis zur nächsten Insel, Ua Huka, im Nordwesten. Die Windrichtung passt auch, Halbwindkurs, dennoch müssen wir mit mehr als 12 Stunden Fahrt rechnen. Um bei Tageslicht anzukommen, müssen wir also über Nacht segeln. Um 17 Uhr gehen wir Anker auf.

Na ja, jedenfalls bis die vordere Rolle der Ankerwippe bricht. Die Ankerwippe ist eine kippbar gelagerte Vorrichtung mit zwei Rollen im Bug, über die beim Ankern die Kette läuft (Kippe nach unten geklappt), und in der der Schaft des Ankers lagert (Kippe nach oben geklappt), wenn er oben ist.

Bricht die Welle der vorderen Rolle, verwandelt sich das ganze Ding in eine Menge klapperndes Blech, das von der Kraft der Ankerwinsch so verbogen wird, dass sich der Anker nicht mehr ganz heben lässt. Langsam aus der Bucht heraus tuckernd (ihr erinnert Euch: aktuell nur 1000 Umdrehungen), versuchen wir mit um den Anker geschlungenen Leinen das 35 kg schwere Ding frei- und an Deck zu bekommen. Eine der Leinen führt über eine quer über dem Bugkorb angebrachte Stange, in die die vordere Enden unserer Spinnakerbäume eingeklinkt sind. Oder besser gesagt: waren, denn der Zug auf den Leinen ist wohl doch ein wenig stark, zu stark jedenfalls für die Querstange, die in der Mitte durchbricht.

Spistange

Also gut: Anker geborgen und gesichert, provisorische Querstange für die Spibäume montiert, Spibäume dort eingehängt, hintere Halterungen der Spibäume auch wieder zurechtgebogen, wir können Segel setzen. Als die Genua, das große Vorsegel, steht, entdeckt Birgit einen etwa 15 cm langen vertikalen Riss im Tuch, nahe an der Kante des aufgenähten UV-Schutz-Streifens. Hmm… bei leichtem Wind vielleicht kein Problem, aber wenn es aufbrist, kann sich der Riss leicht vergrößern, dann haben wir ein Problem. Also rollen wir die Genua weg und setzen stattdessen die kleinere Fock. Wir sind auch so schnell genug und kommen am Morgen auf Ua Huka an.

Die Bucht ist allerdings deutlich weniger geschützt als erhofft. Immer wieder fegen Windböen hinein, auch der hereinlaufende Schwell ist uns nicht geheuer, also nichts wie wieder heraus. Den botanischen Garten, den wir hier besichtigen wollten, müssen wir leider vom Programm streichen. Wir haben aber Glück, denn vier Seemeilen weiter westlich finden wir in einer anderen Bucht bessere Bedingungen. Mittlerweile ist es Mittagszeit, bis der Anker fällt.

Nach dem Essen ist der Ausbau der Ankerwippe angesagt. Dazu muss die Ankerkette entlastet und weggebunden werden und das Stau-Abteil ganz vorne im Bug leergeräumt, damit man die Kontermuttern der Schrauben erreichen kann. Auf dem Rücken liegend kommt einer mit langem Arm gerade so an die Muttern heran, während der andere von oben die Schrauben löst. In der Werkstatt zerlege ich dann die Wippe, klopfe das Blech wieder einigermaßen gerade und ersetze die Halterung der vorderen Rolle. Dann wieder Akrobatik, festschrauben, einräumen, Kette wieder draufsetzen, erledigt. Halb vier.

Wippe

Wir rollen die Genua aus und ziehen das Segel aus dem Profilstag an Deck, um an den Riss heranzukommen. Ausmessen, Flicken zurechtschneiden und auf beiden Seiten anbringen, provisorisch festkleben, damit sie nicht verrutschen. Dann steht ein knapper halber Meter Naht an. Klingt gar nicht so viel, aber auf der einen Seite sind fünf Lagen Stoff zu durchstechen (zwei Flicken, doppelter UV-Schutz und eine Lange Segeltuch). Selbst mit dem Segelmacher-Handschuh keine leichte Arbeit. Birgit will sich aber nicht ablösen lassen, die letzten Stiche macht sie mit der Stirnlampe.

Um das Segel wieder hochzuziehen, führen wir das Fall, das auf der Backbordseite aus dem Mast tritt, über die Mastwinsch an Backbord. Birgit fädelt vorne das Segel ein, ich kurble. Jedenfalls so lange, bis ich die gesamte Winsch samt Kurbel in der Hand habe. Von den fünf Befestigungslöchern des Winschsockels (immerhin ein ca. 5mm starkes Bronzegussteil) sind fünf korrodiert und weggebrochen. Das war’s dann mit der Winsch. Wir denken uns eine Leinenführung aus, mit der wir das Fall über zwei Blöcke (Umlenkrollen) bis zu einer der großen Winschen im Cockpit führen können und schaffen es so, die Genua wieder zu setzen. Eingerollt, fertig.

Winsch

Zugegeben – der Titel des Beitrags ist irreführend. Es ist schon nach sieben, es waren also 26 Stunden. Zeit fürs Abendessen. Eine der Lampen in der Kombüse ist kaputt. Das Birnchen ist durchgebrannt. Was soll’s.

Nein: nicht alle Tage sind so. Überhaupt nicht. Aber der Spruch: Langzeitsegeln heißt, sein Schiff an den schönsten Orten der Welt zu reparieren, kommt nicht von ungefähr.

Tahuata, Marquesas

Anfang Juli

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Ein Gitarrenakkord, dazu die Stimme der Vorsängerin: „Fatueeeh iiihh…“ und die Gemeinde fällt in den Gesang ein. Ein katholischer Gottesdienst zu Ehren des Bischofs, der die Gemeinde besucht, es ist Freitag Nachmittag, die letzten Sonnenstrahlen fallen in die kleine Kirche von Hapatoni.

Blumenschmuck überall, sieben Bankreihen, ein Mittelgang, auf jeder Seite haben 4-5 Erwachsene Platz, dazwischen wuseln Kinder herum, die Kleinsten werden immer mal wieder herum gereicht und geherzt. Weitere Stühle werden hereingebracht, jeder soll sitzen können, so auch wir Segler, die herzlich begrüsst werden. Wir verstehen nicht viel, die Lieder sind auf Marquesianisch, die rezitierten Bibeltexte ebenfalls und der Bischof predigt auf Französisch. Und von Draußen hört man die Brandung, die laut durch die Steine des Ufers rauscht.

Es wird sehr viel gesungen im Gottesdienst, mehrstimmig und stimmsicher, und ganz ohne Gesangbuch, manchmal auch im Wechselgesang der Frauen und Männer. Es klingt so schön und die Freude daran sieht man den meisten deutlich an. Eine ganz eigene familiäre Stimmung herrscht in dem Raum und hinterlässt auch bei uns einen starken Eindruck.

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Kirche von Hapatoni

Eigentlich wollten wir nach Fatu Hiva segeln, wo Thor Heyerdahl vor 80 Jahren etliche Monate zusammen mit seiner jungen Frau als Aussteiger gelebt hat und wo er seine ersten Ideen über die Besiedelung Polynesiens entwickelte, die er dann mit der Kon Tiki beweisen wollte. Aber der Wind drehte und wir hätten noch länger kreuzen müssen, so dass wir beschlossen, die nächste Insel Tahuata anzulaufen.

Hier in der Bucht Hanatefau liegen wir nun schon seit fünf Tagen, das Örtchen Hapatoni mit einer Handvoll Häuser befindet sich eine halbe Meile weiter entfernt am anderen Ende der Bucht.

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Traditionelles Boot mit Ausleger

Vor uns ein schmaler Streifen Strand, dicke graue Steine an denen sich kleine Wellen brechen, dahinter viele Kokospalmen, ihre Blätter fächern sich wie Feuerwerkskörper auf. Der Wald zieht sich die steilen Hänge hoch, alles ist grün bewachsen, in den unterschiedlichsten Schattierungen, vom tiefen satten bis zum zarten Frühlingsgrün, dazwischen rotbraun gefärbte Spitzen der Mangobäume. Immer mal wieder zieht ein Duft nach feuchter Walderde oder Blumen übers Wasser. Am Vormittag dreht eine Delfin-Familie ihre Runden, auch ein Mantarochen segelt gemächlich an den Booten vorbei, seine vegetarische Kost schaufelnd.

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Schon wenige Stunden nachdem wir den Anker in dem klaren Wasser auf Sandboden geworfen hatten, klopft es und wir werden gefragt, ob wir nicht mit an Land kommen wollen, es gibt Wildschwein. Gleich gegenüber unter den Kokospalmen ist ein kleines Häuschen zu sehen, da wohnt Tei’i seit gut zwei Jahren. Er hat vorher acht Jahre lang in Tahiti gearbeitet, nun ist er zurück und macht Kopra, wenn er nicht gerade Segler zu sich einlädt oder mit ihnen abends zum Fischen geht. Die beiden Deutschen vom Nachbarboot und ein Einhand-Segler haben schon Kokosnuss geraspelt, Taro-Wurzeln ausgegraben und als wir mit Kuchen und Kaffee dazu kommen, köcheln schon drei Töpfe auf der offenen aus Stein gemauerten Feuerstelle neben dem Haus: das Wildschwein (verwilderte Hausschweine, die gejagt werden), ein paar Bananen und die Taro-Wurzeln. Ein kleiner Blumen- und Gewürzgarten umgibt das Haus, ein paar Limettenbäume verschwinden im Schatten der Kokospalmen und frisches Wasser kommt aus einer Leitung direkt von den Bergen. Nur Strom fehlt ihm noch, die Leitungen des Dorfes reichen nicht bis hierher, darum freut sich Tei’i über Batterien für die Stirnlampe oder ein paar Leinen für sein Pferd.

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Tei’i

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Am Tag darauf nimmt er uns mit zu ein paar Obstbäumen, wir decken uns ein mit Guaven und Pommes Cythère-Früchten, bekommen eine der ersten dicken Mangos geschenkt. Im Ort selber schauen wir uns ein paar alte Steinmauern an und rätseln, was es da früher alles gegeben haben mag.

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Kopra

An einem anderen Tag wollen wir zum Hauptort der Insel, nach Vaitahu, zwei Täler weiter, irgendjemand sagte uns, in anderthalb Stunden sei man da. Ein steiniger Feldweg, immer mal wieder ein kleiner Wasserfall, ein Bächlein, das sich den Weg über die Straße sucht, denn es hat die letzten Tage nachts ordentlich geregnet. Am Wegrand viele Bananenstauden, Papayas, Mangobäume, darunter oft das Gras gemäht, Privatbesitz also, so dass wir im Vorübergehen nur eine Handvoll Limetten von den buschigen Bäumen pflücken.

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Aber der Weg zieht sich, lange Windungen bergauf, immer weiter und dann geht es steil runter nach Vaitahu. Im dortigen Museum wird gerade alles ausgeräuchert, also werfen wir nach einer Ruhepause einen Blick in die Kirche und machen uns auf den Heimweg. Wie gut, dass am Ortsrand ein Pickup vorbei kommt und uns mit nimmt, sonst wären wir erst bei Dunkelheit wieder daheim auf dem Boot. Wir sitzen auf der Ladefläche, die Beine gegen eine Blechtonne gestemmt (der Benzintank?) und lassen uns ordentlich durchschütteln.

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Kirche von Vaitahu

Es fällt mir schwer, mich von dieser schönen Insel und der friedlichen grünen Bucht zu verabschieden. Zum Schluss noch ein Geschenk: die Delfine kommen wieder vorbei, ich nehme Schnorchel und Flossen und hüpfe schnell ins Wasser, suche sie und kann sie auf einmal sehen, wie sie still nach unten schweben, in zwei Gruppen eng beieinander, wie ein gemeinsamer Schwimmkörper, 20 oder 22 zähle ich. Und nach wenigen Augenblicken verschwinden sie…

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Manfred und die Schokoladenfabrik

Auf unserem Spaziergang durch Hakahetau (Ua Pou) treffen wir zufälligerweise auf Therèse, die ihrer Tante im Dorf bei der Verarbeitung von Brotfrüchten hilft. Wir werden zum Kaffee eingeladen und erfahren, dass ihr Mann aus Deutschland sei. Mit einer schweren Tasche voller Pampelmusen und einer Brotfrucht zum Grillen verabschieden wir uns, sind aber für den nächsten Tag um 7h an der Hafenmole verabredet: sie wohnen etwa drei Kilometer weit weg, das erste Mal fahren wir mit einem Pickup das Tal hoch.

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„Manfred Ville“ lesen wir über dem Tor, zwei junge Hunde kommen den Weg herunter gerannt, außer sich vor Freude, dass Therèse wieder da ist. Blumen und bunt gemusterte Sträucher säumen den Weg zum Haus, ein kleiner Swimmingpool mit Gartenmöbeln kommt in Sicht, Obstbäume, Pflanzen in Töpfen. Hühner mit ihren Küken picken im Garten, Hähne stolzieren dazwischen herum.
Manfred muss erst die Hunde wieder beruhigen, bevor wir ihn begrüßen können.

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Manfred Drechsler

Wenig später sitzen wir alle, Jonas der Segler ist mit uns mitgekommen, in der gemütlichen Küche bei frisch gebackenem Brot und Guavenmarmelade, um uns herum wuseln Katzen und Kätzchen, und auf unsere Frage, seit wann Manfred denn hier lebt, beginnt er, aus seinem Leben zu erzählen.

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Er war Handwerker, Fliesenleger, besaß eine Sauna in der Nähe von Münster. Irgendwann hatte er zu viel Ärger um die Ohren und „die Schnauze voll“ und nach einem Bericht über die Südsee, Tahiti, beschloss er von einem Tag auf den anderen, dorthin auszuwandern. Der Neubeginn war nicht einfach, aber dann lernte er Hubschrauber und Kleinflugzeuge zu fliegen und verbrachte ein paar spannende Jahre in Tahiti. Vor zwanzig Jahren hat er zusammen mit seiner Frau Therèse dieses Grundstück gekauft und sich da ein kleines Paradies eingerichtet.

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Das Haus gebaut, den Hang gerodet, Strom kommt aus einem selbst gebastelten Kraftwerk, das Wasser aus den Felsen nutzend. Und jede Menge Obstbäume hat er angepflanzt, neben Mango, Sternfrüchten, Papaya, Pampelmusen, Orangen und Limetten hat er Macadamia-Bäume, Linsensträucher, ein paar noch kleine Kaffestauden und Kakaobäume!

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Linsenstrauch

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Makadamia-Nuß

Stolz erzählt er, wie lange er ausprobiert hat, um die richtige Konsistenz für seine Schokolade zu finden und die passende Füllung für Pralinen dazu. Dann holt er aus dem Kühlschrank die Formen und lässt uns probieren: ein Gedicht! Dunkelste Schokolade mit Limettenfüllung und Ganasche. Und seine neueste Kreation, Pralinen mit einer Füllung aus Macadamia-Nüssen. Wir sind begeistert und kaufen etliche Pralinen und Schokolade pur als Tafel. Im Kühlschrank hält sie sich wunderbar.

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Pralinen mit Limettenfüllung

Manfred zeigt uns noch einen Artikel in der Zeitschrift „Klettern“ und einen langen Bericht im Jahrbuch des Deutschen Alpenvereins von 1999 über Bergsteigen auf den Marquesas. Zwei deutsche Bergsteiger sind in dem Jahr die imposanten Felsen von Ua Pou das erste Mal hochgeklettert. Sie campierten bei Manfred im Garten und einer von ihnen drehte dann noch einen Film, den wir uns gemeinsam anschauen.

Therèse und Manfred packen uns zwei schwere Taschen voller Obst ein, das uns später mit dem Pickup nachgeliefert wird. Wir laufen den Weg zurück zu Fuß hinunter.

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Am nächsten Tag gehen wir noch mal zu ihnen hoch mit frisch gemahlenem Vollkornmehl (Weizen, Roggen) und Trockensauerteig. Vorher noch machen wir einen Abstecher zum Wasserfall, zusammen mit den drei schwedischen Seglern. Die letzten Meter müssen wir über ein paar Felsen klettern, jede Menge Stechmücken überlisten, aber das Wasser in dem Naturschwimmbecken vor dem Wasserfall ist herrlich erfrischend!

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Bambus wächst hier in den Bergen! Mit der Machete bewaffnet schlägt Andreas eine Stange davon ab, wir können sie gut zum Ausbaumen der Segel bei leichtem Wind verwenden.

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Ich würde, wie immer, gerne noch länger bleiben, an diesem ersten Juliwochenende beginnen die ersten Feste, aber am Samstag wollen wir los, es gibt Wind mit einer Nordkomponente, der uns zur nächsten Insel bringen soll – auf nach Fatu Hiva!

Ua Pou, Marquesas

1Anfahrt

Ua Pou (23.06. – 02.07.2016)

Schon von Weitem kann man bei der Anfahrt auf die Insel Ua Pou die Zuckerhüte erkennen– meistens ist der höchste Berg in Wolken gehüllt.

In den nächsten Tagen geht unser erster Blick in der Früh immer die Berge hoch, jedes Mal ein anderes Schauspiel von Licht, Schatten und Wolken.

Hinter dem Wellenbrecher wird an der Hafenanlage von Hakahau gearbeitet, den engen Platz zum Ankern teilen wir uns mit einer Handvoll Booten. Auf Ua Pou leben etwa 2000 Menschen, die Hälfte davon in Hakahau, der Ort zieht sich in einem breiten Tal die Hänge hoch.

Neben dem mit Blumen geschmückten Rathaus, in dem die Angestellten Blumenketten tragen oder eine Blume hinter dem Ohr (Männer wie Frauen), befindet sich das Haus der Kunsthandwerker, drinnen der Verkaufsraum. Draußen im schönen Innenhof wird an Holzstücken geschnitzt. Gegenüber kann man im Café der Kooperative Kaffee trinken, zu Mittag essen. Etliche Marmeladen und Honig werden angeboten, aber außer ein paar Pampelmusen, gibt es nichts Frisches zu kaufen. Die Menschen hier sind alle Selbstversorger oder verschiffen ihre Produkte nach Tahiti und es kommen wohl zu wenig Segler vorbei, um einen solchen Markt am Leben zu erhalten.

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Wir spazieren durch den Ort, überall schöne gepflegte Gärten mit Obstbäumen, Brotfrüchte hängen schwer herunter, Blumen überall, kunstvoll angelegte Sträucher statt Zäunen. Auf einer Veranda hängen Bananenstauden zum Reifen, daneben ein paar Brotfrüchte. Eine vorsichtige Frage an die Frauen, die gemütlich im Schatten sitzen, ob wir eine der Brotfrüchte kaufen könnten. Nein, das geht nicht, sie wird uns einfach geschenkt!

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Wir holen frisches Baguette von der Boulangerie, finden zwei Supermärkte und die Kirche. Die ist, genau wie der Versammlungsraum am Ufer weiter unten, mit lilafarbenen Girlanden und weißen Blumen geschmückt, sogar die hölzerne Jesus-Figur über dem Altar trägt eine Blumengirlande, denn später am Tag findet eine Hochzeit statt. Bekannt ist diese Kirche für die Schnitzereien am Fuß der Kanzel – ein Netz voller Getier und menschlicher Figuren.

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Auf dem Weg zur nächsten Bucht genießen wir das schöne Panorama der Insel und staunen über die winzige direkt am Hang gelegene Piste des Flughafens. Durchstarten geht nicht, da muss die Landung genau erfolgen.

10Flughafen

Hakahetau gefällt uns ausgesprochen gut! Vom Dörfchen sieht man erst einmal kaum was, so viele Bäume stehen am Ufer. Nur eine kleine Kirchturmspitze ragt hervor und aus dem kleinen Versammlungsraum hören wir Trommeln und Gesänge, die Kinder üben Tänze ein.

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Überrascht entdecken wir gleich am Strand zwei große Schautafeln: eine über die schützenswerte Fauna und Flora der Insel, die andere mit einem Plan des Dorfes und des Tales, die Sehenswürdigkeiten aufgelistet, die Wanderwege, zwei Wasserfälle, die archäologische Stätte. Alles in Marquesianisch, auf der Rückseite in Französisch und Englisch erklärt. Weitere Tafeln sind im Ort verteilt, z.B. über die besondere Form der Felsentürme von Ua Pou, vulkanischen Ursprungs, die Lava wurde wie ein Pfropfen nach oben gepresst. Uns erinnern die Felsen an die der Seiser Alm in Südtirol, hier im Miniaturformat.

11Hakahetau

Direkt an der kleinen Hafenmole ist ein hoher hellgelber Felsen mit ausgewaschenen Mulden davor – ein idealer Grillplatz, so ganz ohne Sandfliegen. Wir verabreden uns tags darauf mit Jonas, einem schwedischen Einhandsegler, ein junges schwedisches Paar kommt dazu. In der Abendsonne glüht der Felsen, später im Schein des Feuers. Die Fragen über das Wohin und Woher, Reparaturen am Boot, Tipps für die Weiterreise füllen den Abend, wir könnten noch länger da sitzen. Aber dann ist das Feuer so langsam herunter gebrannt und der Kopf brummt schon etwas vom selbst gebrauten Bier, das der Nachtwächter am Hafen mit uns teilt, und wir teilen mit ihm unser „Balboa“-Bier von Panama.

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