Windsteuerung (2/2)

Zweiter Teil unserer Serie über die Windsteueranlage. Wie schon im ersten Teil angedeutet, kann diese nur dann das Schiff auf Kurs halten, wenn es schon im Wesentlichen von alleine in die richtige Richtung geradeaus fährt. Das nennt man: der Trimm muss stimmen. Diesen Trimm beeinflusst man zum einen durch ausgeglichene Segelflächen und -stellungen vorn und achtern, aber auf den meisten Kursen ist ein Segelboot luvgierig, d.h. es tendiert dazu, seine Nase in den Wind zu drehen. Um dem entgegen zu wirken, legt man mit dem Hauptruder etwas Gegenruder. Wenn man das Hauptruder in dieser Lage nun fixiert und die Windsteuerung einkuppelt, kann das Spiel beginnen.

Leider gibt es dabei zwei Probleme. Das erste Problem liegt an unserer hydraulischen Steuerung des Hauptruders. Es ist nämlich gar nicht so leicht, das Hauptruder in der gewünschten Stellung zu fixieren, denn jedes hydraulische System hat über die Zeit einen gewissen Schlupf. Der Ruderdruck überträgt sich zwar nicht aufs Steuerrad zurück (man muss es also nicht festbinden), dennoch bewirkt der ständige Druck auf die Ruderflächen auf Dauer ein Nachgeben des Ruders, so dass aus fünf Grad Ruderlage nach einer Stunde vier Grad werden, dann drei usw., bis das Ruder am Ende des Tages gerade steht. Dann ist der Trimm natürlich beim Teufel, und die Windsteueranlage kann nicht mehr arbeiten. Wir haben vorletztes Jahr bei der Atlantik-Überquerung uns damit beholfen, die Pinne festzubinden, denn diese ist (ohne Hydraulik) direkt mechanisch mit dem Ruderblatt verbunden. Das hat funktioniert, aber ideal ist diese Lösung auch nicht, denn wenn man Trimm oder Kurs verändern will (z.B. um einem anderen Schiff auszuweichen), muss man immer erst aufs Achterdeck, um die Pinne loszubinden.

Die zweite Möglichkeit, aus dem Trimm zu laufen ist die Änderung der Windstärke. Die oben erwähnte Luvgierigkeit nimmt nämlich mit der Stärke des Windes zu. Wenn etwa bei 3 Bft eine Ruderlage von 3 Grad ausreicht, um die Luvgierigkeit zu neutralisieren, müssen es bei 5 Bft vielleicht schon 6 Grad sein. Das heißt, in einer Böe schießt das Boot in den Wind, und die Windsteueranlage schafft es nicht länger, den Kurs zu korrigieren. Ich weiß schon gar nicht mehr, wie oft ich nachts bei der Atlantikpassage geweckt wurde, um beim Aufbrisen des Windes nach achtern zu gehen, die Pinne loszubinden, am Steuerrad den Trimm neu einzustellen, und die Pinne wieder festzubinden. Natürlich hat man beim Nachlassen des Windes das gleiche Spielchen, nur umgekehrt, denn jetzt hat man zu viel Ruderlage, das Boot fällt also zu stark ab.

Wenn das Boot aus dem Trimm läuft (egal ob wegen des hydraulischen Schupfs oder wegen der Änderung der Windstärke), merkt man das immer daran, dass die Windsteuerung auf Anschlag Gegenruder gibt, aber selbst damit nicht gegen die (falsche) Grundtendenz des Bootes ankommt. Und weil mir die Windsteuerung so leid tat, wie sie da mit zusammengebissenen Zähnen und voller Ruderlage vergeblich am Kurs zerrte, kam mir die Idee, mit Hilfe einer kleinen Schaltung und dem Motor des Autopiloten eine Selbst-Trimm Automatik zu bauen. Und zwar so:

Am Schaft des Hilfsruders habe ich zwei berührungslose Schalter (Reed-Kontakte) montiert, die einen elektrischen Kontakt schließen, wenn das Ruder auf der einen oder anderen Seite Vollausschlag hat. Diese Schalter kosten ein paar Cent, sie sind u.a. bei Alarmanlagen verbaut, um das Öffnen von Türen oder Fenstern zu melden.

schalter

Diese Information über die Hartruderlage der Windsteuerung wird in einem kleinen programmierbaren Microcontroller verarbeitet. Dieser „Arduino“ ist eine open source Lizenz, d.h. jeder darf ihn nachbauen, und deshalb ist er ein Massenprodukt geworden, das z.B. in der Robotik Anwendung findet. Das Gute daran: auch er kostet nur ein paar Euro. Die Programmlogik geht nun so: wenn innerhalb einer bestimmten Zeitspanne (z.B. 30 Sekunden) das Hilfsruder mehr als die Hälfte der Zeit auf Anschlag ist, ist der Trimm wohl nicht mehr in Ordnung. In diesem Fall wird ein kurzer Steuerimpuls (800 Millisekunden) auf den Motor des Autopiloten gegeben, der damit das Steuerrad um etwa eine halbe Speiche dreht und damit den Trimm in die gewünschte Richtung korrigiert. Kurz vorher wird noch die elektromagnetische Kupplung des Autopilot-Motors eingeschaltet. Und sollte eine halbe Speiche nicht ausreichen, kommt nach weiteren 30 Sekunden der nächste Steuerimpuls.

arduino

Da der Arduino nur Lasten von maximal 50 mA schalten kann, der Motor aber 5A zieht, sind Relais dazwischengeschaltet (drei Stück: eines für die Kupplung, eines für Drehen nach links, eines für Drehen nach rechts). Und das war’s auch schon. Die ganze Schaltung verbraucht 25 mA, kann also ohne Probleme durchgehend laufen. Der Motor des Autopiloten wird nur im Fall der Trimm-Korrektur kurz angesprochen, was je nach Bedingungen ein paar Mal pro Tag bis ein paar Mal pro Stunde nötig ist. Alle anderen Komponenten des Autopiloten (Kompass, Computer etc.) bleiben ohnehin dauernd aus. Alle Teile der Schaltung zusammen kosten weniger als 40 Euro.

Ihr glaubt gar nicht, wie schön das ist. Egal, ob die Hydraulik nachlässt, ob der Wind auffrischt, ob man andere Segel setzt, ob man den Kurs ändert (d.h. den Sollwinkel zum Wind): nie muss man sich um den Trimm Gedanken machen, denn der Arduino findet automatisch nach maximal ein paar Minuten die richtige Hauptruderlage, damit die Windsteuerung ihren Job machen kann. Weder Pinne noch Steuerrad müssen fixiert werden, so dass man jederzeit – etwa für ein Ausweichmanöver – von Hand den Kurs ändern kann. Am Ende steuert man einfach wieder grob in die gewünschte Richtung und überlässt die Feinjustierung wieder dem Arduino. Ziemlich cool!

wolken

Ach ja: POS 14°00’S 112°26’W, immer noch Richtung Pitcairn

Windsteuerung (1/2)

Als in den 60er Jahre Elga und Ernst-Jürgen Koch als erstes Weltumsegler-Paar unterwegs waren, musste immer einer der beiden am Ruder stehen. Hut ab, wir können uns heute nicht vorstellen, welche Strapazen das für die beiden bedeutet hat.

Deshalb ist der heutige Blog-Eintrag dem Apparat an Bord gewidmet, der unseren Komfort ungemein steigert, weil er uns das Rudergehen abnimmt und tagein, nachtaus die Muktuk auf Kurs hält: unsere Windsteueranlage.

heck

Freilich: auch ohne Windsteueranlage müssten wir nicht selbst Ruder gehen, denn wir haben auch noch einen Autopiloten. Der Autopilot ist eine Kombination aus Computer, elektronischem Kompass und einem Elektromotor, der das Steuerrad bewegt, um einen vorgegebenen Kompasskurs einzuhalten. Das Ding funktioniert prächtig und wir benutzen es in Küstennähe, wenn wir sichergehen wollen, eine Einfahrt zu treffen oder einen Felsen zu vermeiden. Aber: der Autopilot macht Lärm (Elektromotor eben) und braucht eine Menge Strom.

Auf Langstrecke schalten wir ihn daher aus und nehmen die Windsteueranlage in Betrieb. Diese arbeitet rein mechanisch, lautlos und ohne Strom. Sie hält dabei keinen konstanten Kurs, sondern einen konstanten Winkel zum Wind. Das hat Vor- und Nachteile: wenn der Wind dreht, fährt man u.U. eine Zeitlang woanders hin als man denkt, aber die Segelstellung ist immer richtig und muss nicht bei jeder Winddrehung korrigiert werden. Und auf Langfahrt kommt es beim Kurs auf 10 oder 20 Grad hin oder her nicht so an, das kann man am nächsten Tag wieder ausgleichen.

Um zu erklären, wie diese geniale Erfindung funktioniert, muss ich allerdings etwas ausholen und gleich drei verschiedene Ruderblätter beschreiben.

Erstens gibt es da das Hauptruder. Mit dem wird das Schiff gesteuert, wenn man das Steuerrad bewegt. Die zugehörigen Ruderblätter (bei uns sind es zwei) sind relativ groß; die Übertragung der Lenkbewegung vom Steuerrad zum Ruderblatt erfolgt bei uns hydraulisch.

Zweitens gibt es das Hilfsruder der Windsteueranlage. Wenn das Schiff schon mal im Wesentlichen in die richtige Richtung steuert (das regelt man mit dem Hauptruder), nimmt dieses Hilfsruder die nötigen Kurskorrekturen vor, um den konstanten Winkel zum Wind einzuhalten. Dieses Hilfsruder ist kleiner als das Hauptruder, aber immer noch groß genug, um das ganze Schiff zu steuern.

Der Auslöser für die Kurskorrekturen ist die sogenannte Windfahne, ein dünnes, etwa skateboardgroßes Sperrholzbrett, klappbar befestigt und von einem Gegengewicht normalerweise senkrecht gehalten. Dieses Sperrholzbrett richtet man nun so aus, dass seine Stirnseite genau in die Windrichtung zeigt. Kommt der Wind also aus dieser Richtung, wirkt keine Kraft auf die Windfahne und sie wird durch ihr Gegengewicht senkrecht gehalten. Kommt der Wind mehr von rechts (z.B. weil das Schiff nach links vom Kurs abkommt), bläst der Wind auf die rechte Seite der Windfahne und das Brett klappt nach links um. Und natürlich umgekehrt: Kursabweichung nach rechts, Wind kommt mehr von links, Windfahne klappt nach rechts.

Soweit alles gut, man muss nur noch die Klappbewegung der Windfahne auf die Lenkbewegung des Hilfsruders übertragen. Doch dummerweise gibt es da ein Problem: Um das Hilfsruder zu bewegen, braucht man sehr viel mehr Kraft, als die Klappbewegung des Brettchens hergibt. Und da kommt jetzt die geniale Idee des Konstrukteurs ins Spiel: man verwendet die Fahrt des Schiffes durchs Wasser als mechanischen Kraftverstärker. Wie geht das?

Der Trick liegt in einem dritten Ruderblatt, dem Pendelruder. Das ist klein (schmal aber lang) und kann tatsächlich durch die Klappbewegung der Windfahne gedreht werden. Das Pendelruder steuert nun aber nicht etwa das Schiff, dazu ist es viel zu klein, sondern sein ganzer Schaft kann sich nach links oder rechts um ein zentrales Gelenk bewegen, eben „pendeln“. Und diese Pendelbewegung, die umso kräftiger ausfällt je schneller das Schiff durchs Wasser fährt, hat genügend Kraft, um nun wieder als Lenkbewegung aufs Hilfsruder zu wirken.

Also nun noch einmal komplett: kommt das Schiff z.B. nach rechts vom Kurs ab, bläst der Wind nicht mehr auf die Stirnseite der Windfahne, sondern mehr auf die linke Seite. Die Windfahne klappt nach rechts. Die Klappbewegung dreht das Pendelruder um seinen Schaft nach links. Durch die Fahrt durchs Wasser pendelt das Pendelruder kräftig nach rechts aus. Diese Pendelbewegung dreht das Hilfsruder nach links, das Schiff wird nach links gesteuert. Der Wind bläst nun wieder auf die Stirnseite der Windfahne, diese richtet sich auf (Gegengewicht), das Pendelruder wird wieder gerade gedreht, es pendelt wieder in die Senkrechte zurück und dreht das Hilfsruder wieder gerade. Ende der Kurskorrektur.

Klingt kompliziert, ist aber so. Und funktioniert prächtig, meistens jedenfalls. Warum es manchmal nicht ganz so einfach ist, und was wir dagegen getan haben, kommt im nächsten Blog-Eintrag.

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wolken

Nix los

Dieser Ozean ist echt groß. Das merkt man schon daran, dass wir – egal wohin – noch nicht einmal die Hälfte geschafft haben, obwohl wir bereits seit fast drei Wochen unterwegs sind, Das letzte Schiff haben wir vor knapp zwei Wochen gesehen, seitdem sind wir ungestört. Wir können also die Musik so laut aufdrehen wie wir wollen, kein Nachbar beschwert sich..

bananen

Das eigentlich Berichtenswerte ist also, dass es kaum Berichtenswertes gibt. Nach der Äquatorüberquerung hatten wir ein paar Tage stärkeren Wind und Seegang und sind recht ungemütlich hin und her geschaukelt worden, aber nun ist es wieder friedlich und wir schaukeln ruhiger und langsamer. Wie es sich anfühlt, wenn es nicht schaukelt, haben wir mittlerweile vergessen.

Zehn Tage lang hatten wir nicht einmal einen Fisch an der Angel. Dann aber biss ein so großer Mahi-Mahi an, dass wir gleich drei Tage lang jeweils zwei Mahlzeiten davon zubereiten konnten, und den Rest hat Birgit in Gläsern eingemacht. Die fliegenden Fische, die wir morgens an Deck finden, zählen wir nicht mit. Außer der große von heute Abend, den wir gerade zappeln hörten, frisch ernten konnten und gleich als Vorspeise braten.

fisch

Bei durchschnittlich einem Segelmanöver alle zwei bis drei Tage (Groß reffen, Fock setzen, Schoner bergen, Schoner setzen, Groß ausreffen, …) überarbeiten wir uns seglerisch auch nicht gerade. Die Windsteueranlage hält brav den Kurs (dazu bald mehr), so dass wir nur Ausguck gehen müssen. Und da gibt es – siehe oben – zur Zeit wenig zu sehen. Die Bordroutine strukturiet den Tag: langes Frühstück, um nach dem unterbrochenen Schlaf der Nachtwachen zu sich zu kommen, Kübeldusche an Deck, Schiff putzen, kochen, essen, Mittagsschlaf, spülen, Sundowner, kochen. essen, über Funk Wetter und E-Mails abrufen. Zwischendurch immer wieder viel lesen, ich habe den Sextanten ausgepackt und poliere meine eingerosteten Kenntnisse in Astronavigation auf.

lesen

Apropos Navigation: den zwischendurch überlegten Abstecher auf die Osterinsel mussten wir streichen, denn da unten ist in den nächsten Tagen ein Sturmtief vorhergesagt, und in 5-6 Meter Welle fahren wir nicht freiwillig hinein. Unser geplantes Ziel ist Pitcairn, aber auch da ist noch ungewiss, ob uns Rasmus da hinsegeln lässt. Wir behalten die Wetterentwicklung im Auge und entscheiden in den nächsten Tagen, ob es möglich ist. Wenn ja, ist freilich noch nicht gesagt, dass wir bei den dann dort herrschenden Bedingungen auch vor der Insel ankern und an Land gehen können. Das ist immerhin noch drei Wochen hin, und so weit reicht keine Vorhersage. Wenn es dann zu rauh ist, können wir bloß einmal winken und weitersegeln, dann waren knapp 1000 Seemeilen Umweg vergeblich. Man versteht, warum so wenige Yachten diese Inseln anlaufen…

schiffchen1

schiffchen2

POS 10°23’S 105°20’W
Noch 1662 sm bis Pitcairn

Über die Linie

wolken

Vor zwei Tagen waren wir keine 50 Meilen mehr vom Äquator entfernt. Die Windvorhersage lautete SE, so dass wir bequem unserem Generalkurs SW folgen können sollten. Aber zu früh gefreut: Der Wind kam aus SSW, und so mussten wir jede Meile Süd, also Richtung Äquator, hart erkämpfen. Die vielen Stunden Flaute zwischendurch, in denen wir mit schlagenden Segeln auf jede nutzbare Brise warteten, halfen auch nicht gerade. Aber die See ist sehr ruhig, und selbst beim kleinsten Windhauch läuft Muktuk wie auf Schienen – wenn auch Richtung Westen.

Vor einem Tag waren wir keine 32 Meilen mehr vom Äquator entfernt. Wir sind noch im Einflussbereichs des Humboldt-Stroms, eine kalte Strömung, die die Küste Chiles heraufkommt. Das Wasser hat nur 22°C, entsprechend ist es zumindest nachts so kalt im Boot, dass wir uns für unsere Nachtwachen mit langen Hosen, Unterhemden und Socken einpacken. Sollte man am Äquator eigentlich nicht denken, oder? Trotz „Kälte“ und Feuchtigkeit sitze ich in der ersten Nachtwache an Deck und bewundere den Sternenhimmel mit seinen noch unvertrauten Sternbildern – das Kreuz des Südens, den Zentaurus, den Skorpion. Sobald der Mond untergegangen ist und alle Sterne und die Milchstrasse klar herauskommen, ein herrlicher Anblick. Um Mitternacht will ich noch gar nicht schlafen gehen, aber ich weiss wie müde ich in drei Stunden sein werde, wenn meine nächste Wache anfängt. Viel zu tun gibt es in den Wachen freilich nicht, das letzte Schiff haben wir vor etlichen Tagen gesehen.

grapefruits

Heute mittag sind wir keine 13 Meilen mehr vom Äquator entfernt. Wir rechnen, ob wir die Linie heute noch, und wenn dann wann, erreichen. Der Morgen hat uns mit wolkenlosem Himmel empfangen (die letzten Tage war es viel bedeckt), so dass im Augenblick das Deck voller Matratzen, Kopfkissen, Laken und Handtüchern ist, um die Feuchtigkeit ein wenig herauszubekommen. Birgit sortiert wie jeden Tag die verdorbenen Zitrusfrüchte aus, Säcke voll mit Grapefruit, Orangen und Limetten brauchen eben Pflege. Ich erledige ein paar kleinere Reparaturen. Nach schon drei Tagen ohne Fisch an der Angel (wir sind einfach zu langsam) haben wir bald wieder richtig Lust auf Sushi. Aber noch haben wir reichlich Vorräte an Gemüse, Salat, Obst und Fleisch, dass wir nicht auf den Fangerfolg angewiesen sind.

Und schliesslich ist es soweit: um 19:50 Bordzeit (01:50 UTC) springt die Anzeige am GPS von N auf S, wir springen über die Linie und sind im Südpazifik.

linie

Lichtermeer

6. April 23h Bordzeit. Unsere zweite Nacht auf See. Noch haben wir unseren Wachrythmus, der die nächsten Monate unseren Tagesablauf bestimmen wird, nicht verinnerlicht. Noch sind wir nicht eingeschaukelt (durchgeschaukelt aber schon), aber dank des sehr rolligen Ankerplatzes in Panama City schon ein wenig an die Bewegungen gewöhnt.

Überhaupt Panama City. Ist das wirklich erst zwei Tage her? Die Hektik der Stadt, die Großeinkäufe in den Supermärkten, den Fleischhallen und Gemüsemärkten, die vergeblichen Versuche, unsere Gasflaschen füllen zu lassen (aus ?Sicherheitsgründen? mussten wir neue kaufen), die zig Dinghifahrten, um die Wasser- und Dieseltanks eimer- bzw. kanisterweise aufzufüllen? Säckeweise Grapefruits, Orangen und Limetten, eimerweise Gemüse, Halbjahresvorräte an Bier Klopapier etc. stellen selbst für die Staumöglichkeiten auf der Muktuk eine Herausforderung dar. Birgit kocht mehrere Dutzend Gläser mit Sugo, Rouladen und Gulasch aus diversen Vierbeinern ein, auch die finden noch ihr Stauplätzchen. Wir arbeiten bis zum Umfallen.

schweine

sack

Eigentlich wollten wir es ja etwas ruhiger angehen lassen, uns Zeit für Panama nehmen, den FAJOs als Linehandler durch den Kanal helfen und ein paar Tage auf den Las Perlas Inseln ausruhen, aber daraus wurde alles nichts, denn laut metbob.com, dem Wetterguru des Südpazifiks hat sich seit vorgestern ein Wetterfenster aufgetan, das uns angeblich bis zu den Galapagos-Inseln und vielleicht darüber hinaus segelbare Winde beschert ? vorausgesetzt man kommt Anfang der Woche los.

Nachdem wir bis zu den Passatwinden auf ca. 10°S nicht nur die „Intertropische Konvergenzzone“ (grob gesagt am Äquator), sondern auch noch die „Südpazifische Konvergenzzone“ durchqueren müssen, beide mit Flaute, unwetterartigen Regenfällen mit und ohne Gewitterböen, und dafür einige Tage Fahrt unter Maschine einplanen müssen (und nicht beliebig viel Diesel haben) , wollten wir dieses Wetterfenster natürlich nutzen. Deshalb die ganze Hektik. Warten wir mal ab, ob das Wetter denn auch so kommt wie bestellt.

Die zweite Nacht auf See also, sehr müde, denn die erste Nacht war mit 6 Windstärken etwas ungemütlich, und tags ist es zum Schlafen einfach zu heiß. Heute dümpeln wir in nahezuer Flaute, Muktuk rollt von einer auf die andere Seite in der Dünung, die Segel schlagen, aber wir wollen sie nicht bergen, denn wir brauchen jeden Windhauch. Soviel zum Wetterfenster?

Aber dafür gibt es heute Nacht ein ganz großartiges Geschenk. Wir haben ja schon ein paar Male Meeresleuchten erleben dürfen, und es ist jedesmal wunderschön, die Glühwürmchen im Wasser zu sehen, aber so ein Lichtermeer wir heute haben wir noch nie erlebt. Wir segeln wie durch eine Großstadt, ringsum uns herum ein Licht am anderen, jeder Wellenkamm ist mit einem hellgrünen Leuchtstreifen markiert. Da wir Neumond haben, konkurriert das Meeresleuchten nur mit dem Sternenhimmel, stellt diesen aber locker in den Schatten. Fotografieren kann man das leider nicht, aber vergessen werden wir diesen Anblick bestimmt nicht so schnell.

Völlig unmöglich allerdings, bei diesem Spektakel Ausguck zu gehen. Die Positionslichter eines anderen Schiffes könnte man nie unter den vielen Lichtern ausmachen, die uns rundum umgeben. Das AIS zeigt aber auch keine Gegner in der Umgebung an, daher sind wir unbesorgt.

delfin

POS 6°31?N 080°46?W
Noch 3445 sm bis Pitcairn