Aufbruch nach Süden

Nachdem der Ausflug nach Norden ja nicht so erfolgreich war, versuchen wir es morgen in der entgegengesetzten Richtung. Zwar öffnet die USA jetzt auch ihre Grenzen, aber nun ist die Hurrikan-Saison in der südlichen Baja California offiziell beendet und wir wollen die nächsten Monate die Landschaft und die Ankerplätze der Sea of Cortez (Golf von Kalifornien) erkunden. So schön Ensenada auch ist, Stadt und Marina hatten wir über drei Monate lang, das reicht erst einmal.

Das Boot ist schon seit Tagen fertig zur Abreise, die neuen Cockpit-Scheiben sind montiert, das gesprungene Plexiglas vom Niedergangsluk ersetzt, der neue Windmesser ist im Masttop angeschlossen. Diesel, Wasser, Propan und Sprit für den Außenborder sind aufgefüllt. Alle Einweckgläser sind voll mit Mango- und Tamarindenmus, Schweinefleisch und Rindergulasch, die Staufächer für Bier und Wein sind gut gefüllt.

Die frischen Lebensmittel und Milchprodukte werden noch im letzten Moment gebunkert, dann sind wir bereit (und reif) für die Inseln. Zwei Tage kräftiger Nordwind sind angesagt, das sollte uns ein gutes Stück nach Süden schaukeln.

Día de los muertos: Allerheiligen und Allerseelen in Mexiko

Día de los muertos: die drei Tage von Allerheiligen bis Allerseelen (31. Oktober – 2. November) sind wichtige Feiertage in Mexiko. An diesen Tagen gedenken die Familien ihrer Verstorbenen. Diese, so glauben sie, kehren einmal im Jahr zurück, um gemeinsam mit den Lebenden zu essen und zu feiern. Am 1. November wird an die verstorbenen Kinder erinnert, am 2. November dann an die Erwachsenen. Altäre werden in den Häusern aufgebaut, vereinzelt auch auf öffentlichen Plätzen oder Läden. Die Lieblingsspeisen der Verstorbenen werden zubereitet und auf den Altar gestellt zusammen mit dem „Pan de muerte“, einem Hefeteigbrötchen mit Anisgeschmack. Auf den Altar gehören auch Fotos und Sachen, die an die verstorbenen Menschen erinnern sollen, aber auch Gegenstände, die die Vergänglichkeit symbolisieren. Geschmückt wird alles mit buntem bemustertem Papier.

Die gelben und orangen Blüten mit ihrer leuchtenden Farbe weisen den Verstorbenen den Weg zu ihren Verwandten und Freunden. Es ist ein fröhliches Fest, so erzählt man uns. In einigen Teilen Mexikos werden sogar große Umzüge an diesen Tagen veranstaltet, es wird musiziert, getanzt und gesungen und oftmals ziehen lange Prozessionen von Menschen durch die weit geöffneten Kirchen.

Eine Besonderheit im Rahmen dieser Feierlichkeiten sind einzelne Figuren, die im Laufe der letzten Jahrhunderte im Rahmen dieses Totenkultes in der mexikanischen Gesellschaft einen Platz gefunden haben. Unter anderem ist das die edel gekleidete Dame Catrina, ein Skelett im Rüschenkleid und breitkrempigem Hut und der passende Herr dazu, der Garbancero. (Wikipedia)

In Ensenada geht es etwas stiller zu, diese Tage werden überwiegend im privaten Rahmen zu Hause gefeiert. Aber es gibt für uns doch ein bisschen was zu sehen. Am 31. Oktober abends ziehen ein paar Kinder in Kostümen in Begleitung ihrer Eltern umher, das amerikanische Halloween mit „trick and treat“ hat sich hier wohl auch schon ausgebreitet.

Am 1. November findet ein Wettbewerb statt: die schönste Catrina und der am schönsten dekorierte Altar werden prämiert. Veranstalter ist die Technische Universität gemeinsam mit dem Kulturzentrum von Ensenada. Auf der Plaza Santo Tomas in der Innenstadt werden schon am Vormittag Zelte aufgebaut und Stühle aufgestellt. In einer der großen Hallen, die der Weinkellerei gehören, sind viele junge Leute damit beschäftigt, Altäre mit bestimmten Themen für den Wettbewerb zu dekorieren.

Am Nachmittag dann versammeln sich die ersten Besucher, einige Damen tragen Haarreifen mit Papierblumen dekoriert, die ersten Catrinas und Garbanceros erscheinen und holen sich ihre Wettbewerbsnummer ab. Wir dürfen, wie alle anderen Besucher auch, viele Fotos von ihnen machen!

Welche der Damen nun den Hauptpreis erhalten hat, können wir leider nicht berichten, denn wir sind nicht bis zum Ende der Veranstaltung geblieben. An diesem Abend war auch eine Party am Steg geplant mit vielen Seglern, der erste Potluck nach langer Zeit mal wieder.

Langsam macht sich in der Marina Aufbruchstimmung breit: In den letzten Wochen haben wir hier im Hafen einige sehr nette Seglerinnen und Segler kennen gelernt, die gleichzeitig mit uns in Richtung Süden wollen und die wir auf dem Weg zum Golf von Kalifornien und auf den dortigen Ankerplätzen ganz bestimmt wieder sehen werden. Darauf freuen wir uns schon sehr! Wir werden aber auch von ein paar lieb gewonnenen Menschen Abschied nehmen, die in Ensenada bleiben.

Nationalpark San Pedro Martir

Es ist wieder einer dieser Tage mit einem strahlend blauen Himmel. Wir fahren durch eine hügelige Landschaft mit verdorrten Sträuchern, die Erde ist braun bis grau und steinig. Neben der Straße verläuft ein ausgedörrtes Flussbett, das manchmal von Bäumen gesäumt wird, und die tragen erstaunlicherweise grüne Blätter. Aber unter der alles bedeckenden Staubschicht erscheinen auch diese Blätter grau. Wäre da nicht die asphaltierte Bundesstraße mit den riesigen LKWs, die an uns vorbei donnern, könnte man meinen, es würden gleich ein paar Cowboys auf ihren Pferden die Hänge herunter geritten kommen: Es ist die perfekte Kulisse für einen Western. Fehlt nur noch die passende Musik dazu.

Es dauert aber eine Weile, bis sich die Landschaft so menschenleer und wüst zeigt. Fährt man aus Ensenada raus auf die Bundesstraße Nr. 1 der Halbinsel Baja California, in Richtung Süden, ist die Straße noch dicht bebaut mit Einkaufszentren, kleinen Läden und Werkstätten aller Art, riesigen verstaubten Autofriedhöfen. Dann kommen die Gewächshäuser und Felder, auf denen Arbeiter die Zucchini, Tomaten und Spargel ernteten, das Gesicht mit Tüchern verhüllt und breiten Hüten gegen die sengende Sonne.

Nach etwa 85 Kilometer erreichen wir mit unserem kleinen Mietwagen die Abzweigung zum Nationalpark San Petro Martir. (Wikipedia) Von hier aus geht es, ebenfalls auf einer recht gut ausgebauten asphaltierten Straße, noch einmal rund 100 Kilometer landeinwärts. Wir kommen nicht mehr so schnell voran, die Straße ist kurvenreich, wir müssen einige Bergketten überwinden, immer höher hinauf. Zuerst fahren wir noch durch zwei kleine Siedlungen, danach ist nur noch vereinzelt ein verlassenes verfallenes Haus zu sehen. Die Landschaft verändert sich merklich, Kaktuspflanzen machen Sträuchern Platz, die Steine werden immer größer, es wird zusehends felsiger. Irgendwann tauchen die ersten Kiefern auf, wir haben über 2.000 Höhenmeter erreicht.

Der Eingang des Nationalparks wird von Soldaten bewacht. Eine kleine Truppe ist hier stationiert, sie wohnen in einem eigenen Haus, hacken tagsüber ihr Holz und wechseln sich an der Schranke ab.

Wir melden uns beim Büro an, bezahlen unsere Gebühren und erhalten den Schlüssel für die vorab reservierte Hütte. Diese liegt inmitten hoher Kiefern und Tannenbäumen: darin zwei Stockbetten, ein kleines Bad, eine Küchenzeile und das Beste: ein Holzofen mit einem Stapel Feuerholz daneben. Wir haben alles mitgebracht, was wir brauchen: Schlafsack, Decke, Lebensmittel und Trinkwasser.

Neben der Hütte finden wir eine gemauerte Grillstelle und eine Feuerstelle, geschützt durch einen großen ebenfalls gemauerten Ring. Gleich laufen wir los und sammeln Holz. Davon gibt es wirklich genug, trocken und gut abgelagert. Die vielen Kiefernzapfen eignen sich hervorragend zum Anzünden, sie knistern und sprühen aber auch so herrliche Funken, wenn man sie zwischendurch ins Feuer wirft.

Wir erkunden die nächste Umgebung, es ist ein Zeltplatz, eigentlich nur daran erkennbar, dass sich ein paar sandige Wege zwischen den Bäumen schlängeln und ab und zu eine Feuerstelle mit einer Bank dazu auftaucht. Man verliert schnell die Orientierung, das Gelände ist riesig. Es ist herrlich hier, diese frische Luft mit dem intensiven Duft der harzigen Kiefern, das klare Licht der Nachmittagssonne. Wir sind begeistert.

Abends sitzen wir ganz nah am Feuer, denn sobald die Sonne untergeht, wird es empfindlich kalt im Gebirge. Nach den vielen Wochen in der lauten Marina genießen wir die Stille und Ruhe. Wir sind nicht allein da, aber es scheint als ob die Geräusche vom Wald verschluckt werden, wir hören nur das Knistern und Knacken der brennenden Holzscheite. Am klarer Nachthimmel können wir die Milchstraße ganz deutlich sehen, selbst mit dem Streulicht unseres Lagerfeuers. Wir laufen ein Stück die Straße hoch, weg vom Feuer, um noch mehr Sterne sehen zu können. Sogar ein paar Sternschnuppen zeigen sich. Es ist wirklich der ideale Ort für eine Sternwarte: wenige Kilometer weiter auf einem der Gebirgskämme befinden sich einige Observatorien. So weitab von jeglicher Zivilisation und deren Lichtverschmutzung herrschen perfekte Bedingungen für ihre Arbeit. Normalerweise können sich Besucher zu Führungen anmelden, wegen der Pandemie aber ist es leider nicht möglich, das Gelände wird weiträumig abgesperrt und ebenfalls von Soldaten bewacht.

Am nächsten Tag machen wir uns gleich nach dem Frühstück auf den Weg zu einer Wanderung. Der Wald ist trocken, keine Wildbäche, keine Wasserfälle, wie wir es von den Alpen kennen. Und doch wachsen hier viele Blumen und Sträucher zwischen den Felsen und leben hier viele Tiere, die sich an diese Bedingungen angepasst haben.

Es ist auch die Heimat des kalifornischen Kondors (Wikipedia), der etwas kleinere Bruder des Anden-Kondors und damit der zweitgrößte Vogel der Erde. Er war in der freien Wildbahn seit den achtziger Jahre ausgestorben und lange Zeit nur noch in einigen Zoos zu finden. Aufzucht-Stationen in den USA konnten den Kondor erfolgreich vermehren und nach und nach Vögel wieder auswildern. Der Kondor ist zwar immer noch im Bestand gefährdet, aber es gibt nun tatsächlich eine stabile Anzahl an Vögeln in den Gebirgen Kaliforniens. Wir haben Glück und sehen einen von ihnen hoch oben am Himmel langsam seine Kreise drehen.

Je höher wir kommen, umso schöner wird die Aussicht auf das gewaltige Gebirgsmassiv San Pedro Martir. Mit jeder Wegbiegung erscheint eine neue interessante Steinformation, entdecken wir neue Blumen und Sträucher unter den Bäumen.

In der Ferne, auf dem gegenüberliegenden Höhenkamm sehen wir das große Observatorium und weiter verstreut in der Landschaft ein paar kleinere.

Der Weg führt über ein kleines Plateau und auf einmal befinden wir uns in einem Birkenwald, die Blätter in ein leuchtendes herbstliches Gelb gefärbt.

Kurz darauf erreichen wir den ersten Aussichtspunkt: Eine stählerne Plattform mit Gitterboden, die einen spektakulären Rundumblick bietet. An klaren Tagen soll man bis zur anderen Seite der Baja California, bis zum Meer, sehen können. Leider können wir mit der Kamera die Tiefe und Weite der Landschaft nicht wirklich einfangen.

Für unsere Mittagsrast laufen wir noch ein Stück weiter und setzen uns an einen von der Sonne gewärmten Felsen mit Blick auf ein wildes Seitental.

Auf dem Rückweg kommen uns Wanderer entgegen: es ist Samstag und viele Familien und organisierte Gruppen sind unterwegs.

An unserem letzten Morgen sitzen wir noch lange draußen in der Sonne, trinken Tee und beobachten die putzigen Streifenhörnchen (Wikipedia) die ich Anfangs für eine kleinere Art von Eichhörnchen gehalten hatte. Sie huschen so schnell über den Boden, dass man sehr genau hinsehen muss, um ihre Streifen zu erkennen. Mit viel Geduld und ganz viel Stillsitzen gelingt es uns, sie näher kommen zu lassen, so dass Andreas ein paar Fotos von ihnen machen kann.

Auf dem Rückweg halten wir immer wieder an und versuchen, diese großartige menschenleere Landschaft wenigstens ansatzweise mit dem Fotoapparat festhalten zu können.

Rund vierzig Kilometer vor Ensenada kommen wir wieder durch die weite Ebene mit den endlos erscheinenden langen Reihen mit Weinstöcken – es ist das älteste Weinanbaugebiet Mexikos. Schilder zeichnen die „Ruta antigua del vino“, die „Alte Weinstraße aus. Nach einem kurzen Abstecher zu Santo Tomas, der bekanntesten Weinkellerei in dieser Ecke, beschließen wir unseren Ausflug.

La Bufadora und Valle Guadelupe


Ende August luden uns unsere mexikanischen Freunde zu einem Ausflug ein, sie wollten uns ein paar Sehenswürdigkeiten in der Umgebung von Ensenada zeigen. Wir vereinbarten den folgenden Samstag und in der Früh holten sie uns mit dem Auto ab. Erst fuhren wir in Richtung Süden zur „La Bufadora“. An einer Stelle der Steilküste schlägt die Brandung mit einer starken Wucht auf die Felsen, das Wasser wird durch Hohlräume gepresst und schießt in hohen Fontänen in die Luft. Je nach Wellengang und Gezeiten können sie ziemlich hoch und spektakulär werden.

Wir waren schon vorgewarnt, dass bei der „Bufadora“ einige Andenkenläden seien. Vom großen Parkplatz, der für einen riesigen Ansturm von Besuchern ausgerichtet ist, bis zum Aussichtspunkt muss man erst einmal durch eine ziemlich lange Straße laufen. Auf beiden Seiten reiht sich ein Laden an den anderen, mit allem, was Touristen vermeintlich oder tatsächlich brauchen würden. Die Verkäuferinnen und Verkäufer stürzen sich auf uns, wir bekommen kleine Proben von Kokoslikör angeboten, werden freundlich eingeladen, in die Geschäfte zu kommen oder ins nächste Restaurant für ein frühes Mittagessen. Normalerweise würden sehr viel mehr Menschen hier sein, denn die Bufadora ist eines der beliebtesten Ausflugsziele für die Gäste der Kreuzfahrtschiffe.

Auf dem Meer lag an diesem Tag viel Nebel, die Sonne kommt an Tagen wie diesen, erst gegen Mittag durch.

Rasmus lieferte durch das Blasloch ein paar beeindruckende Wasserfontänen, aber doch so moderat, dass wir nicht durchnässt wurden.

Danach fuhren wir weiter ins angrenzende Weinbaugebiet zum Valle Guadelupe. Jetzt im Spätsommer sind die Hügel braun und die Sträucher alle trocken: Eine steinige und eher unwirtliche Gegend. Selbst die Oliven-Haine sehen staubig und grau aus. Dann öffnete sich ein Tal und es wurde ein bisschen grüner: die ersten Weingärten kamen in Sicht.

Bereits kurz nach der Eroberung Mittelamerikas durch die Spanier hatte ein Jesuitenpater Weinreben nach Mexiko gebracht und in dieser Gegend angepflanzt. Sie gediehen prächtig. Doch die Weinbauern im Mutterland fürchteten um ihre Absatzmärkte und setzten einen Erlass der spanischen Krone durch, dass in der mexikanischen Kolonie Wein nur für den Gottesdienst angebaut werden durfte. Nachdem Mexiko seine Unabhängigkeit ausgerufen hatte, konnte endlich wieder Wein für alle produziert werden.

Im Tal von Guadelupe hat sich in den letzten Jahren viel getan, immer mehr Flächen wurden mit Weinreben bepflanzt. Für die vielen Touristen wurden Hotels und Herbergen gebaut und entlang der Hauptstraße eröffnen täglich neue Restaurants und Läden. Die Gegend boomt!

Wir bogen von der Hauptstraße ab, fuhren auf einer gewundenen Straße einen Berg hoch und parkten vor einem Restaurant. Auf der großen Terrasse setzen wir und an einen großen Tisch und machen eine ausgiebige Mittagspause.

Von hier hatten wir einen weiten Blick ins Tal hinunter und auf die gegenüberliegenden Berge.

In den südlich gelegenen Provinzen Mexikos werden traditionell auch Insekten und Larven gegessen: Ameisen, Mehlwürmer, Grashüpfer und Insektenlarven, gekocht oder geröstet. Dieses Restaurant hatte sie auch auf der Speisekarte und Andreas und Fernando waren so mutig und bestellten Tacos mit Insekten.

Fernando feierte seinen Geburtstag nach, aus den Lautsprechern ertönte ein Geburtstagslied, alle sangen mit und Fernando durfte die Kerze von seinem Schokoladenkuchen auspusten.


Gruppenfoto: Karina, ihre Tochter Dania, die Oma Maria, Fernando, Andreas, Birgit, Fernandos Tochter Sofia und seine Ehefrau Gabriela.


Weinberge und Palmen – eine für uns neue Kombination!

Wir drehten noch eine Runde durch das Tal, besuchten kurz einen Tierpark, den der Inhaber einer der größten Molkereien des Landes gestiftet hatte und fuhren im letzten Tageslicht zurück nach Ensenada.

Es war ein langer schöner Tag, mit vielen spannenden Gesprächen und vielen Geschenken für uns. Wir freuen uns sehr, dass wir eine so nette Familie kennen lernen durften, Zeit mit ihnen verbringen konnten und sie uns einiges erzählen konnten über ihr Land und ihre Lebensweise!