Plan C

Willst Du die Götter zum Lachen bringen, dann erzähl ihnen von Deinen Plänen.

Dieses schöne russische Sprichwort war selten wahrer als beim Langfahrtsegeln in Covid-19 Zeiten. Als wir im Februar in Cordova ankamen, wollten wir den Frühling in Alaska verbringen, im Sommer nach Kanada und im Herbst in Seattle oder San Franzisko ankommen, um von dort zurück nach Deutschland zu fliegen. Die geschlossene Seegrenze nach Kanada und die Virus-Hotspots an der US-Westküste haben dies unmöglich gemacht.

Die Alternative? Die US-Behörden raten dazu, das Boot hier in Alaska zu lassen und heimzufliegen. Unser Zuhause ist aber die Muktuk, würden wir sie hier in Alaska zurücklassen, könnten wir aus Deutschland erst einmal nicht wieder zurück, denn europäische Touristen dürfen nicht in die USA einreisen. Außerdem ist die Segelsaison nur kurz – vor Mai kämen wir hier nicht wieder weg. Und wenn wir den Schimmel und das von Feuchtigkeit aufgequollene Holz im Boot ansehen, möchten wir Muktuk auch nicht noch einem Winter in Alaska aussetzen.

Plan B also. Der ist, von Alaska nach Hawaii zu segeln, dort ca. zwei Monate zuzubringen und Ende November weiter nach Japan zu fahren. So ist das Hurrikan-Risiko im Ostpazifik begrenzt und die Taifun-Saison im Westpazifik vorbei. Die Heimreise nach Deutschland müssen wir dann dieses Jahr streichen. Einziger Haken: Obwohl wir vier Wochen in internationalen Gewässern unterwegs sind, gilt das nicht als Aus- und Wiedereinreise. Wir bleiben sozusagen in den USA, weil die sogenannte „meaningful departure“, also die ernstgemeinte Ausreise fehlt, und die brauchen wir nach maximal sechs Monaten Aufenthalt. Kanada erlaubt aber den Transit durch ihre Gewässer, und dabei dürfen wir auch notwendige Stopps einlegen, etwa um nachts zu ankern oder um zu tanken. Ein solcher Tankstopp mit Quittung soll uns also als Nachweis dienen, dass wir zwischendurch in Kanada waren. Wir bekommen das Signal, dass die Behörden in Hawaii das wohl anerkennen würden.

Das war der Stand, als wir vor zehn Tagen per Telefon schlechte Nachrichten erhielten: wegen eines Krankheitsfalls in der Familie müssen wir nach Deutschland zurück, Covid-Ansteckungsrisiko hin oder her. Also planen wir kurzfristig nochmal alles um, besorgen nach vier Wochen Wildnis in Ketchikan Proviant und Ersatzteile und segeln morgen von Alaska direkt nach Mexiko, wo wir hoffentlich in gut zwei Wochen ankommen, Muktuk in Ensenada in den Hafen stellen und den nächsten Flieger nach Deutschland nehmen. Dort liegt das Boot sicher und trocken, und zumindest Stand heute ist die Wiedereinreise von Europa aus noch erlaubt. Wir werden sehen… man weiß ja, wie das mit den Plänen so ist.

Port Alexander

01.-03. Juli 2020

Wir umrunden das südliche Kap von Baranof Island und tasten uns zwischen Algenfeldern aus Kelp langsam in die Bucht von Port Alexander hinein. Wir wollen in der Bucht ankern, aber der Anker hält nicht, zu steinig ist der Boden und zu eng der Raum zum Schwingen. Also  legen wir schnell die Leinen und die Fender aus und fahren zum Schwimmsteg des Ortes. Dort liegen ein paar kleinere Motorboote und zwei Fischerboote. Eines davon gehört Terry, einem jungen Mann Anfang 30. Sein Boot ist ungefähr nur halb so lang wie die Muktuk und sieht fast wie ein Spielzeugboot aus, ist aber mit allem ausgestattet, was man braucht, um Lachse zu fangen. Und, das Besondere daran: es wurde gegen Ende des 19. Jahrhundert gebaut, aus Holz. Teile des Rumpfes sind noch original, erzählt er mit einer Mischung aus Staunen und leichter Sorge, wie lange sie wohl noch halten werden.

In der Nacht fängt es an zu blasen, ein Nordwind mit 7er Böen, wir müssen die Leinen verstärken und sind nun sehr froh, dass wir nicht vor Anker liegen. Am nächsten Tag bläst es immer noch ordentlich mit 5-6 Bft, die Wolken sind weg, der Himmel klar und es wird einer der sehr seltenen sonnigen Tage.

Port Alexander ist ein bisschen so, wie man sich Bullerbü in Alaska vorstellt – ruhig, beschaulich und alles da, was man braucht. Ein winziger Laden, eine Post, Schule mit Bibliothek und viele hübsche Häuser mit Blumen drum herum.

Früher war es wohl mal ein größerer Fischereihafen, jetzt wohnen nur noch ein paar Leute hier, von denen wir kaum welche antreffen. Ein Bohlenweg führt an den Häusern vorbei, links und rechts davon wachsen riesige Sträucher mit den ersten reifen Salmonberries.

Wir laufen ein Stück durch den Wald, über sumpfige Wiesen zu einer kleinen Lagune ganz im Inneren der Bucht. Und hier finden wir sogar die ersten Blaubeeren!

An einer Stelle scheint es eine Art Schiffsfriedhof zu geben: etliche Boote liegen da auf dem Trockenen, umgekippt und verrottend. Manche sind schon dicht mit Moos bedeckt und von hohem Gras umwachsen. Ein gutes Fotomotiv aber auch ein Ort zum Stöbern, ob nicht doch noch etwas Brauchbares zu finden ist. An einem Boot hängen noch jede Menge Angelhaken und bunte Metallköder, eine große Drahtrolle. Letztere geben wir später dem jungen Fischer, denn so ein speziell angefertigter Draht ist sehr teuer und er kann ihn bestens gebrauchen.

Auch in Port Alexander herrschen die üblichen Quarantäne-Bestimmungen und wir können Terry nicht zu uns aufs Boot einladen, da wir erst vor ein paar Tagen aus Sitka weg gefahren sind und wir ihn unter Umständen gefährden würden. Also sitzen wir zum Abendessen mit ihm draußen am Steg, wo wir besser Abstand halten können, bei Schweinerippchen mit Kartoffelsalat und genießen die Abendsonne.