24 Stunden

67 Seemeilen sind es von unserer Ankerbucht auf Tahuata bis zur nächsten Insel, Ua Huka, im Nordwesten. Die Windrichtung passt auch, Halbwindkurs, dennoch müssen wir mit mehr als 12 Stunden Fahrt rechnen. Um bei Tageslicht anzukommen, müssen wir also über Nacht segeln. Um 17 Uhr gehen wir Anker auf.

Na ja, jedenfalls bis die vordere Rolle der Ankerwippe bricht. Die Ankerwippe ist eine kippbar gelagerte Vorrichtung mit zwei Rollen im Bug, über die beim Ankern die Kette läuft (Kippe nach unten geklappt), und in der der Schaft des Ankers lagert (Kippe nach oben geklappt), wenn er oben ist.

Bricht die Welle der vorderen Rolle, verwandelt sich das ganze Ding in eine Menge klapperndes Blech, das von der Kraft der Ankerwinsch so verbogen wird, dass sich der Anker nicht mehr ganz heben lässt. Langsam aus der Bucht heraus tuckernd (ihr erinnert Euch: aktuell nur 1000 Umdrehungen), versuchen wir mit um den Anker geschlungenen Leinen das 35 kg schwere Ding frei- und an Deck zu bekommen. Eine der Leinen führt über eine quer über dem Bugkorb angebrachte Stange, in die die vordere Enden unserer Spinnakerbäume eingeklinkt sind. Oder besser gesagt: waren, denn der Zug auf den Leinen ist wohl doch ein wenig stark, zu stark jedenfalls für die Querstange, die in der Mitte durchbricht.

Spistange

Also gut: Anker geborgen und gesichert, provisorische Querstange für die Spibäume montiert, Spibäume dort eingehängt, hintere Halterungen der Spibäume auch wieder zurechtgebogen, wir können Segel setzen. Als die Genua, das große Vorsegel, steht, entdeckt Birgit einen etwa 15 cm langen vertikalen Riss im Tuch, nahe an der Kante des aufgenähten UV-Schutz-Streifens. Hmm… bei leichtem Wind vielleicht kein Problem, aber wenn es aufbrist, kann sich der Riss leicht vergrößern, dann haben wir ein Problem. Also rollen wir die Genua weg und setzen stattdessen die kleinere Fock. Wir sind auch so schnell genug und kommen am Morgen auf Ua Huka an.

Die Bucht ist allerdings deutlich weniger geschützt als erhofft. Immer wieder fegen Windböen hinein, auch der hereinlaufende Schwell ist uns nicht geheuer, also nichts wie wieder heraus. Den botanischen Garten, den wir hier besichtigen wollten, müssen wir leider vom Programm streichen. Wir haben aber Glück, denn vier Seemeilen weiter westlich finden wir in einer anderen Bucht bessere Bedingungen. Mittlerweile ist es Mittagszeit, bis der Anker fällt.

Nach dem Essen ist der Ausbau der Ankerwippe angesagt. Dazu muss die Ankerkette entlastet und weggebunden werden und das Stau-Abteil ganz vorne im Bug leergeräumt, damit man die Kontermuttern der Schrauben erreichen kann. Auf dem Rücken liegend kommt einer mit langem Arm gerade so an die Muttern heran, während der andere von oben die Schrauben löst. In der Werkstatt zerlege ich dann die Wippe, klopfe das Blech wieder einigermaßen gerade und ersetze die Halterung der vorderen Rolle. Dann wieder Akrobatik, festschrauben, einräumen, Kette wieder draufsetzen, erledigt. Halb vier.

Wippe

Wir rollen die Genua aus und ziehen das Segel aus dem Profilstag an Deck, um an den Riss heranzukommen. Ausmessen, Flicken zurechtschneiden und auf beiden Seiten anbringen, provisorisch festkleben, damit sie nicht verrutschen. Dann steht ein knapper halber Meter Naht an. Klingt gar nicht so viel, aber auf der einen Seite sind fünf Lagen Stoff zu durchstechen (zwei Flicken, doppelter UV-Schutz und eine Lange Segeltuch). Selbst mit dem Segelmacher-Handschuh keine leichte Arbeit. Birgit will sich aber nicht ablösen lassen, die letzten Stiche macht sie mit der Stirnlampe.

Um das Segel wieder hochzuziehen, führen wir das Fall, das auf der Backbordseite aus dem Mast tritt, über die Mastwinsch an Backbord. Birgit fädelt vorne das Segel ein, ich kurble. Jedenfalls so lange, bis ich die gesamte Winsch samt Kurbel in der Hand habe. Von den fünf Befestigungslöchern des Winschsockels (immerhin ein ca. 5mm starkes Bronzegussteil) sind fünf korrodiert und weggebrochen. Das war’s dann mit der Winsch. Wir denken uns eine Leinenführung aus, mit der wir das Fall über zwei Blöcke (Umlenkrollen) bis zu einer der großen Winschen im Cockpit führen können und schaffen es so, die Genua wieder zu setzen. Eingerollt, fertig.

Winsch

Zugegeben – der Titel des Beitrags ist irreführend. Es ist schon nach sieben, es waren also 26 Stunden. Zeit fürs Abendessen. Eine der Lampen in der Kombüse ist kaputt. Das Birnchen ist durchgebrannt. Was soll’s.

Nein: nicht alle Tage sind so. Überhaupt nicht. Aber der Spruch: Langzeitsegeln heißt, sein Schiff an den schönsten Orten der Welt zu reparieren, kommt nicht von ungefähr.