Omura Bucht

  1. Mai – 01. Juni 2023

Wir tuckern vorsichtig in Schlangenlinien zwischen kleinen Inselchen hindurch, vor uns liegt die engste Stelle der Einfahrt in die Omura Bucht. Darüber spannen sich gleich zwei Brücken, darunter ist das Wasser immer noch voller Wirbel, die jetzt bei Stillwasser zwischen Ebbe und Flut allerdings nicht ganz so stark ausfallen.

Dann hören wir aus der Ferne ein lautes Tuten. Ein Transportschiff kündigt sich an, das auch diese Passage nimmt. Wenig später sehen wir es auch, es ist groß und schnell, gleich wird es uns überholen – so wie es aussieht genau an der engsten Stelle vor den Brücken. Ich werde auf einmal ziemlich nervös, ob das mal alles gut geht. Mein Skipper bleibt ganz ruhig, da passen wir schon beide durch, meint er, keine Sorge. Was auch tatsächlich stimmt. Denn wenn das große Schiff das Kunststück gemeistert hat, den gewundenen Weg durch die Inseln zu finden, dann kann es sich auch mit uns durch die Brücke hindurch fädeln. Im Nu fährt es an uns vorbei und verschwindet in der Ferne!

Geschafft! Wir sind in der Omura Bucht! Eine Ruhe breitet sich aus, die Sonne scheint, das Wasser ist spiegelglatt, wir tuckern an kleinen Motorbooten vorbei, die Wochenendanglern darin winken uns fröhlich zu. In der Ferne erheben sich bewaldete Berge. Fast könnte man meinen, das hier wäre der Bodensee.

Als wir vor genau einem Monat während der „golden week“ mit dem Zug von Nagasaki zum Töpfermarkt nach Arita fuhren, ging die Strecke eine ganze Weile lang an einem Ufer entlang. War es ein Binnensee, eine Bucht? Ein Blick auf die Karte zeigte uns, dass es sich um die Omura Bucht handelte, die man wegen ihres schmalen Zugangs leicht für ein Binnenmeer halten könnte. Die Gegend sah so malerisch und hübsch aus, dass wir überlegten, später mit der Muktuk hierher zu kommen.

Wir fahren ein ganzes Stück in die Bucht hinein, bis zu einer kleinen Halbinsel, wo wir den Anker werfen. Hier wollen wir ein paar Tage lang bleiben. Gleich gegenüber an Land befindet sich ein großes Hotel und daneben ein etwas kleineres Gebäude mit einem Onsen, zu dem die Leute aus allen Himmelsrichtungen anreisen und den auch wir ein paar Mal aufsuchen wollen. Perfekt!

Blick vom Onsen auf die Muktuk.

Arita

Hier im nördlichen Teil der Omura Bucht sind wir ganz in der Nähe von Arita. Eine gute halbe Stunde Zugfahrt trennt uns nur von der berühmten Porzellanstadt.

Arita wirkt ganz ruhig und verschlafen ohne den Trubel des Töpfermarktes. Zuerst gehen wir zu einem kleinen Einkaufszentrum am Rande der Stadt „Arita Sera“ genannt.

In einem großen Hufeisen sind die Geschäfte angeordnet, alle bieten sie Porzellan und Keramik zum Verkauf an: Antikes und Neues, Traditionelles und Modernes. Viele schöne Stücke sind dabei, und viele davon leider auch unerschwinglich für uns.

In Zusammenarbeit mit einer örtlichen Porzellanmanufaktur haben Künstler und Designer aus aller Welt Geschirr entworfen. Der deutsche Designer Stefan Diez ist darunter, die schlichten weißen Formen der Schalen gefallen uns sehr, seine Ehefrau Stefanie Diez, eine Schmuckkünstlerin, hat Armbänder aus Porzellan gestaltet. Der japanische Künstler  Shigeki Fujishiro hat sich farbenfrohe und leicht windschiefe Kaffeekannen und Tassen ausgedacht.

Auf dem Weg zurück in die Stadt schauen wir bei einer Verkaufsstelle der besonderen Art vorbei: hier gibt es Ausschussware in rauen Mengen. In zwei großen Lagerhallen sind Holzkisten gestapelt, in denen sich tausende von Schalen, Tellern und Tassen befinden. Man kann einen der bereit stehenden Plastikkörbe füllen und zahlt dafür einen fixen Preis. Wir schauen uns um, heben ein paar Kisten hoch, suchen und finden aber nichts, was uns wirklich gefällt.

Viel spannender ist die Begegnung mit einer jungen österreichischen Künstlerin, die als „artist in residence“ drei Monate lang in dieser Manufaktur gearbeitet hat. Sie hat in dieser Zeit eine Teekanne entworfen und gelernt, was man alles beachten muss, um die richtige Form zu finden, wie man den Henkel und den Ausguss gestaltet, so dass sie stabil sind und nicht gleich abfallen. Das Schwierigste scheint mir, zu berechnen, wie sehr das Material beim Brennen schrumpft und wie sich die Form dann verändert. In Arita hat sich inzwischen eine fast schon industriell anmutende Arbeitsteilung etabliert, erfahren wir. Einzelne Betriebe haben sich auf die Produktion von Formen spezialisiert, anderen aufs Brennen und Glasieren und andere wieder beschäftigen Leute, die die kunstvollen Motive aufbringen.

Nach einer kurzen Mittagspause steht das Kyushu Keramikmuseum auf dem Programm. Alle Informationen und Beschriftungen sind zweisprachig in Japanisch und Englisch und unter anderem in übersichtlichen Schautafeln präsentiert. Gleich im ersten Saal laufen in einer Dauerschleife Animationen, die den Entstehungsprozess der Glasur und der traditionellen Muster zeigen – als Projektionen auf der Wand und auf einer überdimensionierten Schale.

Diese Animationen haben eine verblüffende Wirkung, sie lenken unseren Blick auf viele Details und schärfen ihn. Nun sehen wir die in den nächsten Sälen ausgestellten Porzellanwaren viel genauer an, erkennen Unterschiede und Feinheiten viel besser.

Das Kyushu Keramikmuseum, 1980 gegründet, beherbergt eine beeindruckende Sammlung an Alltagsgegenständen aus Keramik und Porzellan, beginnend mit der Produktion der koreanischen Porzellanmeister, die als Kriegsbeute gegen Ende des 16. Jahrhundert nach Japan gebracht wurden. Einige dieser koreanischen Kunsthandwerker wurden in Arita angesiedelt. Nur wenige Jahre später, 1616, entdeckten diese Meister in den Bergen im Osten der Stadt Steine, die reich an Kaolin und anderen Mineralien waren, die für die Herstellung von hochwertigem Porzellan benötigt werden. Nun war die Produktion von Porzellan für die nächsten Jahrhunderte gesichert, die Herstellungsprozesse wurden verbessert und verfeinert und Arita entwickelte sich zum bedeutendsten Ort für Porzellan in ganz Japan.


Miniaturmodell eines Hang-Ofens mit aneinander gereihten Brennkammern

Mitte des 17. Jahrhunderts konnte und durfte wegen politischer Unruhen kein Porzellan aus China exportiert werden. Um den europäischen Markt weiter mit dem begehrten Porzellan zu versorgen, wurde in Arita die Produktion hochgefahren. Jetzt mussten sich die Porzellanmeister auch mit ihnen bisher unbekannten Formen beschäftigen, wie Kaffeekannen und Weinkaraffen, Salzstreuern und Senftöpfchen. Auch wurden andere Muster verwendet, nicht nur die auf Kobalt basierenden blauen Töne waren gefragt, auch die an die chinesischen Muster angelehnten vielfarbigen Motive wurden nun auf die Porzellanwaren gemalt – und in Europa dann oft noch mit Goldverzierungen ergänzt.

Vom nächstgelegenen Hafen in Imari wurden die Porzellanwaren nach Nagasaki gebracht und dort auf die hochseetauglichen Schiffe der Niederländischen Ostindien-Kompanie umgeladen. So wurde Porzellan aus Arita nach und nach weltberühmt und blieb es auch, als China wieder Porzellan exportierte.

Den Grundstock für das Museum bilden zwei Schenkung von Privatsammlungen: Kanbara Hakaru (1896-1987) sammelte Arita Porzellan aus allen Teilen Europas, also Stücke, die überwiegend für den Export hergestellt wurden; während sich die Sammlung des Ehepaars Akihiko und Yuko Shibata auf Arita Porzellan aus der Edo Periode (1603-1868) konzentrierte, das in Japan genutzt wurde.

Es gibt immer noch Manufakturen in der Stadt, die die traditionellen Formen und Muster fortführen, andere wiederum produzieren Essgeschirr für ein jüngeres Publikum, der Markt hat sich verändert. Nun wird zum Beispiel für Sternelokale in Tokio oder Kyoto sogenanntes „fine dining“ Geschirr in modernem Design hergestellt, wie in dieser Fernsehdokumentation zu sehen ist.

Ein anderer Saal zeigt großformatige Vasen von zeitgenössischen Künstlern und Designern, alles Unikate.

Unser absolutes Lieblingsstück entdecken wir in der Vitrine, wo einige Neuerwerbungen des Museums ausgestellt sind. Es ist ein nicht näher datierter Teller aus dem 18. Jahrhundert aus der Gegend von Hizen.

Auch die Gebrauchskeramik in den Toiletten ist in den typischen Arita-Mustern gestaltet, ebenso wie die Lichtschalter.

Und im Hof des Keramikmuseums steht ein großer Porzellanvogel auf einem Springbrunnen. Es ist ein Geschenk der Partnerstadt Meißen von 1987 und die Nachbildung einer Figur, die von einem der berühmtesten Meißner Künstler, Johann Joachim Kändler (1706-1775), entworfen wurde.

Zuletzt finden wir noch das berühmte „Arita Café“. Als Blickfang steht vor dem Gebäude ein Mini, der mit den unverwechselbaren Mustern des Arita Porzellans bemalt ist.

Im Café sind auf durchsichtigen Regalen hunderte von Kaffeetassen ausgestellt. Keine davon soll doppelt vorhanden sein. Die Besucherinnen und Besucher dürfen sich davon eine aussuchen und daraus ihren Kaffee trinken!

Auch hier gibt es einen Ausstellungsraum, darin eine dieser riesigen Vasen, die mich deutlich an Größe übertrifft.

Takeo Onsen

Die darauffolgenden Tage sind grau und regnerisch. Wir bleiben daheim im gemütlichen Boot und gehen höchsten mal raus zu einem Besuch im wärmenden Onsen.
Aber mit der Sonne kommt auch unsere Unternehmungslust wieder zurück: Unser Ankerplatz in der Omura Bucht liegt so günstig, dass von hier aus auch Takeo Onsen in einem Tagesausflug leicht erreichbar ist. Wie der Beiname „Onsen“ schon sagt, gibt es in diesem Ort etliche heiße Quellen und dazu schöne Parks, in denen die Touristen vor und nach dem Besuch in einem der heißen Bäder spazieren gehen können. Das alles interessiert uns dieses Mal nicht so sehr, wir wollen statt Porzellan zur Abwechslung mal wieder Keramik sehen.
Wir hatten ein Prospekt mit einer umfangreichen Liste von Keramikern aus dieser Gegend gefunden. Einige von ihnen würden wir sehr gerne in ihren Ateliers besuchen. Diese Töpfereien befinden sich allerdings alle auf dem Land außerhalb der Stadt. Am Bahnhof leihen wir uns Fahrräder aus und fahren los in die Pampa. Wir sind froh, dass wir E-Bikes bekommen haben, damit kommen wir viel schneller und bequemer durch die hügelige Landschaft.
Um zur ersten Adresse zu gelangen, biegen wir von der dicht befahrenen Hauptstraße ab und befinden uns auf einmal mitten in grünen Reisterrassen.

Google Maps leitet uns durch ein kleines verschlafenes Dorf und weiter in den Wald. Dort steht ein kleines verwunschenes Häuschen, mit ein paar Hortensien davor, im intensivsten Blau. Nur leider ist niemand da, der auf unser Klingeln und Klopfen reagiert. Wir sind ja auch nicht angemeldet! Unser Japanisch ist noch viel zu schlecht, um damit telefonieren zu können und Email-Adressen hatten wir keine gefunden.

Weiter geht’s, zurück zur Hauptstraße, in den nächsten Ort. Auch bei dieser Adresse stehen wir vor verschlossenen Türen und können nur durchs Schaufenster eine wunderschöne Sammlung von Vasen in allen Größen und Formen bewundern. Als wir die kleine Straße den Hügel wieder hinauf fahren, entdecken wir zur Linken ein Hinweisschild auf eine andere Töpferei. Wir stellen die Räder ab und gehen in den Hof, wo uns eine Frau freudig überrascht begrüßt. Unerwartete Besucher! Sie führt uns in den Schauraum der Töpferei, die sie gemeinsam mit ihrem Mann betreibt, und zeigt uns auch den angrenzenden Lagerraum, bevor sie kurz verschwindet, um für uns einen Grüntee zuzubereiten. Im Lagerraum sind ringsum tiefe Regale aufgestellt, ein weiteres in der Mitte. Hier verlieren wir uns im Schauen, so viele verschiedene Schalen und Vasen stehen hier und nicht wenige, die uns sehr gut gefallen und dazu noch erschwinglich sind!

Auch wenn wir inzwischen wissen, dass wir die doppelte der üblichen Gepäckmenge für den nächsten Heimflug zur Verfügung haben, nämlich insgesamt rund 100 kg, so können wir doch nicht unbegrenzt einkaufen. Wir beraten lange hin und her, welche der vielen schönen Vasen wir mitnehmen wollen. Die größte lassen wir dann doch da, wer weiß, ob sie den Flug unbeschadet überstehen würde.

Die nächste Töpferei befindet sich noch weiter weg von Takeo Onsen, der Weg dorthin führt uns wieder an Reisfeldern vorbei, durch kleine Wäldchen hindurch, das letzte Stück fahren wir auf einem unbefestigten Schotterweg. Zwar ist der Keramiker selbst nicht da, er bereitet gerade eine Ausstellung in Kyoto vor. Aber das ältere Ehepaar, das in der Nähe Unkraut jätet, unterbricht seine Arbeit. Es sind seine Eltern. Sie schließen die Galerie auf und zeigen uns mit sichtlichem Stolz die beiden Räume, in denen wunderschöne edle Einzelstücke ausgestellt sind!

In einer anderen Töpferei dürfen wir zuschauen, und mit der Zustimmung des Meisters filmen, wie er an der Drehscheibe einen Becher nach dem anderen formt. Überall in der Werkstatt sind die fertigen Stücke zum Trocknen aufgestellt.

Kurz vor 17.00 Uhr bringen wir die Fahrräder rechtzeitig zurück. Die junge Frau, die sie wieder in Empfang nimmt, ist sichtlich beeindruckt über den niedrigen Stand der Akkus. So weite Strecken fahren wohl die wenigsten. Wir jedenfalls sind nach diesem Tag begeistert davon, wie viel angenehmer man mit einem E-Bike unterwegs ist. Eine so lange Strecke mit so vielen Steigungen hätten wir niemals an einem Tag geschafft.

Wie in so vielen Bahnhöfen, die wir bisher in Japan gesehen haben, ist praktischer Weise alles an einem Ort versammelt: das Büro der Touristeninformation, wo man auch die Fahrräder ausleihen kann, ein Imbiss für ein schnelles Mittagessen, ein Obst- und Gemüsestand und sehr häufig auch ein Verkaufs- und Ausstellungsraum mit einer Auswahl an örtlichem Kunsthandwerk: in Takeo Onsen eben Keramiken von den Töpfereien aus der Umgebung. Wir können der Versuchung nicht widerstehen, auch hier noch einmal zwei, drei Stücke zu kaufen. Sie sind einfach zu schön!

Nebenan befindet sich ein heller Aufenthaltsraum, in dem Schulkinder auf den Zug warten. Sogar hier ist Keramik ausgestellt!

Hölle und Fußbäder

Unzen und Obama Onsen 21. – 22. Mai 2023

Unzen, ein kleines Dorf in den Bergen voller Thermalquellen, war schon seit 1868 ein beliebter Badeort. Seit 1910 wurde es auch bei ausländischen Besuchern immer bekannter und so entstand hier eine touristische Infrastruktur mit Hotels und regelmäßigen Busverbindungen.

Weil Unzen Onsen im Landesinneren der Shimabara Halbinsel liegt, und wir unsere Muktuk nur schwer im Bus mitnehmen können, wollen wir sie für eine Nacht alleine lassen und uns in einem traditionellen japanischen Gasthaus, einem „Ryokan“ einquartieren. Wir haben schon viel darüber gehört und gelernt, wie es dort zugehen soll: wie in den Zimmern am Abend das Futonbett auf den Tatami-Matten ausgerollt wird, wie man nach dem abendlichen Bad im Bademantel zum gemeinsamen Abendessen erscheint etc.


Nur leider: weil es so viele Regeln zu beachten gibt, sind diese Gasthäuser sehr zögerlich, Nichtjapaner als Gäste willkommen zu heißen. Sie werden wohl in der Vergangenheit schlechte Erfahrungen gemacht haben. Wir wurden jedenfalls aufgrund unserer mangelnden Japanisch-Kenntnisse als Gäste abgelehnt. Schade – in genau so einem Gasthaus hätten wir uns gerne einquartiert. Das ist ein wenig wie bei Groucho Marx, der auch keinem Club angehören wollte, der ihn als Mitglied aufnehmen würde.

Wir landen aber bei einem gar nicht so schlechten Kompromiss, indem wir ein Zimmer im japanischen Stil mit Tatami-Matten, ausgerollten Futons und sogar Seeblick finden, aber ohne Verpflegung im Hotel.

An heißen Quellen mangelt es diesem Ort wahrhaftig nicht. Über ein Dutzend öffentlicher Bäder stehen zur Auswahl, dazu kommen noch etliche Hotels, die über eine eigene Thermalquelle verfügen. Mitten im Ort gibt es ein aktives Fumarolenfeld, das auf Japanisch „Hölle“ (jigoku) genannt wird, denn überall dampft und blubbert es aus dem kargen Geröll und die Luft ist von Schwefelgeruch erfüllt. Die Hölle war es auch während der Christenverfolgung zwischen 1627 und 1631, als hier christliche Märtyrer mit dem 98°C heißen Wasser zu Tode gefoltert wurden. Heute spazieren aber die Touristen unbehelligt auf Bohlenwegen durch das Gelände, und in den Bädern wird das heiße Wasser auf angenehme 42°C heruntergekühlt.

Auf dem Rückweg machen wir noch Station in Obama Onsen, einem Thermalbad an der Küste, das aus derselben Magmakammer wie Unzen Onsen gespeist wird. Weil der Dampf aber auf dem Weg zur Oberfläche andere Gesteinsschichten durchquert, enthält das Wasser weniger Schwefel, dafür mehr Chlorsalze. In Obama Onsen (der Name hat nichts mit dem ehemaligen amerikanischen Präsidenten zu tun) gibt es die Tradition, sein Essen im Dampf der heißen Quellen zu garen. Es gibt sogar eigene öffentliche Küchen zu diesem Zweck, wo man seine Zutaten selbst mitbringt, um sie dann dort zu dämpfen und zu essen.

Wir haben Zeit, uns ein wunderbares Museum über die Geschichte des Badeortes anzusehen, das uns allein schon durch seine Architektur und seinen herrlichen Blumengarten begeistert.

Zum Ausklang des Tages gönnen wir uns noch eine Besonderheit von Obama Onsen, die bei Touristen und Einheimischen gleichermaßen beliebt ist: den Besuch des 105 Meter langen öffentlichen Fußbads an der Strandpromenade. Man muss ja nicht immer gleich die Seele baumeln lassen, manchmal tun’s auch die Füße.

Tomodachi – Freunde in Kuchinotsu

Mai 2023

Ein weiterer Grund, weshalb wir ein paar Tage länger in Kuchinotsu verbringen wollten, waren die vielen herzlichen Menschen, die wir beim ersten Mal kennen gelernt hatten und die wir noch einmal treffen wollten.

Zur Erinnerung: Etwa drei Wochen zuvor hatten wir Kosei getroffen, der mit seinem Segelboot unterwegs nach Okinawa war. Er empfahl uns, unbedingt einige Tage in Kuchinotsu zu verbringen, und bat seinen Bruder Eiji sowie seinen Segelfreund Yamamoto, sich um uns zu kümmern. Yamamoto wiederum brachte seinen Sohn, Yamamoto Jr., zur Begrüßung mit. Wir saßen dann bei Kaffee und Keksen im Boot und lernten uns erst einmal kennen.

Yamamoto Sen. ist Kartoffelbauer und Segler. Als wir ihm erzählten, dass die Kartoffeln in Deutschland ein Grundnahrungsmittel seien, so wie der Reis in Japan, und dass wir ganz begeistert wären, wie gut die Kartoffeln auf den Inseln Okinawa und Okinoerabu schmeckten, nickte er zustimmend und erfreut: „So, so!“. Um die 20 Tonnen habe die letzte Ernte auf seinen Feldern betragen. Tags darauf bekamen wir eine große Kiste mit Kartoffeln geschenkt – so viele, dass wir damit sicherlich bis in den Sommer auskommen werden!

Yamamoto Jr. erzählte, dass seine Familie seit acht Generationen in dieser Region leben würde und seine Vorfahren ursprünglich von der Seto Inland See hierher kamen. Durch Kriege, Aufstände und die Christenverfolgung waren gegen Ende des 17. Jahrhunderts viele Menschen umgekommen und ganze Landstriche von Kyushu entvölkert, so dass die Fürsten um Bauern aus anderen Teilen Japans warben.

Eiji, der Bruder von Kosei, war früher bei der Stadtverwaltung von Shimabara für das Schlossmuseum zuständig, als Rentner arbeitet er nun freiberuflich für die regionale Zeitung und ist .u.a. Mitglied der Vulkanologischen Vereinigung. Ein naheliegendes Interesse, denn der Vulkan hier in der Nähe spuckt regelmäßig alle paar Jahrzehnte Rauch und Lava.


Eiji-san und Yamamoto-san

Am Sonntagvormittag, am Tag nach dem Fischfang-Festival, kam Eiji eigens noch einmal von Shimabara nach Kuchinotsu, denn Yamamoto Sen. hatte uns alle in ein Café eingeladen, wo wir auch eine gute Freundin von ihm trafen: Shu-san. So saßen wir in dem gemütlich eingerichteten „Café Bremen“, das mit vielen Bilder der vier Bremer Stadtmusikanten geschmückt war.


Der Inhaber des Café Bremen

Frau Shu zeigte uns anschließend ihren schönen, im japanischen Stil angelegten Garten und wir verabredeten, dass wir uns nach unserer Runde durch die Ariake See noch einmal alle in Kuchinotsu wiedersehen wollten.


Shu-san in ihrem Garten

Yamamoto-san, Andreas-san, Shu-san und Eiji-san

Als wir – wieder bei strömendem Regen – ein zweites Mal in Kuchinotsu ankamen, fuhren wir mit Eiji und seiner Frau zu einem Mittagscafé, wo Frau Shu bereits auf uns wartete. Wie sich herausstellte, war der Koch und Inhaber des Cafés ein ehemaliger Segler, der 17 Jahre lang mit seinem Boot unterwegs war, davon längere Zeit auch im Mittelmeer. Das erklärte auch die italienisch-griechisch anmutende Einrichtung und vor allem die köstlichen Spaghetti-Saucen!

Shu-san betreibt hauptberuflich die Tankstelle gleich gegenüber des Hafens. Nebenbei ist sie eine passionierte Musikerin und spielt mit Hingabe Mundharmonika. Wir beschlossen den Nachmittag bei uns an Bord mit Kaffee und Apfelkuchen und bekamen von Shu-san ein Privatkonzert geboten. Sie legte eine CD mit Begleitmusik ein und spielte auf ihren verschiedenen Harmonikas die Titelmelodie: japanische Schlager aus den 1960er Jahren, traditionelle japanische Lieder und auch „Edelweiß“ aus dem in Japan so berühmten Hollywood-Film „Sound of Music“ von 1965.

Danach holte Andreas unsere Gitarre, drückte sie Eiji in die Hand und wir sangen alle zusammen noch ein paar Lieder. „Arigato gosaimasu! Vielen Dank für die schöne gemeinsame Zeit!


Eiji-san mit seiner Ehefrau bei uns auf der Muktuk

An einem der ersten Abende in Kuchinotsu fanden wir ein Sushi-Lokal, das vom Ehepaar Kodama betrieben wird. Wir saßen an der Theke in dem kleinen heimeligen Raum und schauten ratlos auf die Karte, denn unser Übersetzungsprogramm konnte die handgeschriebenen Zeichen nicht gut entziffern. Kurzerhand rief die Dame des Hauses ihren Sohn an, der mit seiner Familie zwölf Jahre lang in den USA bzw. Kanada gelebt und gearbeitet hatte. Er und seiner Tochter, beide fließend Englisch sprechend, übersetzten dann den ganzen Abend geduldig und bereitwillig, wenn die Mama bzw. Oma immer wieder anrief, sobald wir mit dem Übersetzungsprogramm nicht weiter kamen. So durften wir wieder gleich eine ganze Familie kennen lernen. Bevor wir heim gingen, packten sie uns eine Teetasse aus Keramik ein, die sie vor gut 40 Jahren zur Eröffnung ihres Restaurants hatten anfertigen lassen.


Das Ehepaar Kodama in ihrem Sushi-Restaurant

Das Außenfenster des Sushi-Restaurants bei Nacht

Am nächsten Morgen kamen die beiden kurz zur Muktuk, um sich mit eigenen Augen von dem zu überzeugen, was wir am Vorabend erzählt hatten. Als wir sie um das Rezept ihrer Miso-Suppe fragten, die so gut und ganz anders geschmeckt hatte, als die, die wir bisher kannten, bat sie wieder ihren Sohn, uns zu erklären, wie das geht. Aber das schien ihnen nicht sicher genug, so dass sie noch einmal vorbei kamen und uns alle notwendigen Zutaten brachten, eine spezielle Miso-Sorte, Algen und außerdem noch ein Päckchen mit Äpfeln, die hier in Japan ein kleines Vermögen kosten.

Als wir wieder in Kuchinotsu waren und noch einmal zum Sushi-Essen zu ihnen gingen, brachte ich als kleines Dankeschön für die vielen Gaben ein Glas von der Orangenmarmelade mit, die ich aus den hiesigen Bitter-Orangen (einer Kreuzung aus Orange und Grapefruit) gekocht hatte. Und am nächsten Tag, als wir von unserer Wanderung zurück kamen, hing eine Tasche an der Reling und darin ein kleines Mobile aus gefalteten Kranichen mit einem lieben Gruß von ihnen. Die Kraniche hängen nun bei uns in der Messe neben dem Kolibri aus Oaxaca. Sie werden uns jedes Mal an diese liebenswürdigen Menschen erinnern und sie werden uns ganz gewiss viel Glück auf unserer weiteren Reise durch Japan bringen!

„Kuchinotsu olle“

20. Mai 2023

Unsere Rundreise durch die Ariakesee beendeten wir an unserem Ausgangspunkt, in Kuchinotsu. Ich wollte den Ort unbedingt einmal mit Sonne erleben, nicht nur bei strömendem Regen und grau verhangenem Himmel. Die Regenzeit schien in diesem Jahr sehr früh begonnen zu haben. Bereits Mitte Mai waren die sonnigen Tage rar und jeder einzelne Sonnentag wurde von uns gefeiert.

Eine große Informationstafel am Hafen versprach eine reizvolle Rundwanderung um eine kleine Halbinsel, unter dem lustigen Namen „Kuchinotsu Olle“.

Vom Fährhafen aus folgten wir der rot-blauen Markierung. Nach einem kurzen Aufstieg durch enge Gassen und am großen Tempel vorbei, erreichten wir das erste Waldstück. Von hier oben konnte man fast das gesamte Hafenbecken überblicken.

Als wir aus dem Wald heraus kamen, lag vor uns ein offenes Plateau mit sanften Hügeln. Abwechselnd ging es auf breiten Wegen und schmalen Pfaden zwischen Feldern hindurch, auf denen Eisbergsalat und Brokkoli angebaut wurden. Manche Felder sind offensichtlich nicht abgeerntet worden, der Brokkoli war bereits ausgewachsen und zeigte gelbe Blüten.

Immer mal wieder stand am Wegesrand ein Stein mit einer Inschrift, ein kleiner überdachter Schrein oder ein rotes Torii.

Von den Feldern aus konnte man am Ufer ein kleines Dorf sehen und über die Meeresenge hinweg die Küste der Insel Amakusa erkennen.

Etwa auf halber Strecke entdeckten wir einen kleinen Park mit Tischen und Bänken, direkt am Meer gelegen, perfekt für eine Mittagspause. Und daneben wieder eine Andachtsstätte.

Am steinigen Ufer waren ein paar Leute damit beschäftigt, Algen zu ernten, die anschließend von den kleineren Booten in größere geschaufelt wurden.

Auf dieser Plattform hatte man einen herrlichen Ausblick aufs Meer und den Leuchtturm, der weit ins Meer hinein gebaut war.

Wieder ging es auf schmalen Wegen dieses Mal an Kartoffelfeldern vorbei und noch einmal runter zum Meer zu einem anderen Strandabschnitt.

Hier kraxelten wir über große Steine und beobachteten ältere Menschen, die am Ufer im Wasser wateten. Als wir näher kamen, sahen wir, dass sie im mitgeführten Netz bereits eine ganze Menge von den schwarzen stacheligen Seeigeln gesammelt hatten.

Das letzte Stück unserer Wanderung führte erneut durch einen kleinen Wald, und später vorbei an Häusern mit Blumengärten und in denen Bäume voller Früchte standen.

Überall, noch auf der kleinsten freien Fläche wird Gemüse angebaut!

Über diese rote Brücke gelangten wir schließlich zur Uferstraße, die uns zurück zum Hafen brachte.

Kashima und Tara – der Tag der roten Tore

15. Mai 2023

Sake, Samurai und den größten Inari-Schrein von Kyushu – das alles gibt es in Kashima zu sehen. Allerdings ist es mit dem Boot unmöglich, direkt zu diesem Städchen zu fahren. Im nördlichen Teil der Ariake-Bucht, wo Kashima liegt, beträgt der Tidenhub bis zu 6 Meter und bei Ebbe fällt eine große weite Wattfläche trocken.

Also suchen wir den nächstgelegenen Hafen, wo wir die Muktuk parken können. Von Kumamoto aus tuckern wir einmal quer über die Bucht nach Hizen-O-Ura. Die Schwimmstege hier sind mit zwei großen Arbeitsschiffen belegt, aber im großen Hafenbecken ist ausreichend Platz zum Ankern. Hizen-O-Ura ist ein ruhiger kleiner Ort mit einem Supermarkt, einem Hotel, und vier Restaurants, von denen zurzeit nur eines in Betrieb ist. Im Hotel am Hafen dürfen wir den hauseigenen Onsen benutzen – außerhalb der Reisesaison haben wir das Bad ganz für uns, mit Blick aufs Meer und die Muktuk.

Von Hizen-O-Ura fahren fast stündlich Züge nach Kashima, in weniger als einer halben Stunde sind wir da. Fünf Minuten zu Fuß vom Bahnhof Kashima finden wir die Häuser, in denen früher die Samurai gelebt haben. Alle Gebäude sind sorgfältig renoviert worden, eine ganze Straße davon ist erhalten geblieben. Samurai gibt es schon lange nicht mehr, dafür beherbergen die alten Häuser heute Sake-Brauereien, auch finden wir einen Betrieb, in dem feine Soja-Sauce hergestellt wird.

Touristen sind wenige unterwegs an diesem Montagvormittag und wir scheinen die einzigen Ausländer hier zu sein. Am Ende der Straße entdecken wir einen Laden, der Touristeninformation, Andenkengeschäft mit lokalen Produkten für die obligatorischen Mitbringsel sowie Schaubrauerei in einem ist. Wir kommen nicht umhin, zwei Schluck Sake zu probieren sowie Sake-Bonbons und Nori-Blätter mitzunehmen.

Unterwegs zum Inari-Schrein, der weit draußen am Rande der Stadt fast schon in den Bergen liegt, gibt es viel zu sehen. Wir gehen ein Stück am Fluss entlang, entdecken einen verwunschenen kleinen Schrein auf einer Anhöhe, sehen wieder schöne freistehende Häuser im traditionellen Stil mit kunstvoll zurecht gestutzten Bäumen und Steingärten, kommen an einem kleinen Friedhof vorbei, der mit interessanten Statuen versehen ist. Und überall diese wunderbaren Blumenbeete und Sträucher.

Bevor man zum Schrein kommt, wird man durch eine Straße mit Andenkenläden und Restaurants geführt – vor der Pandemie sollen drei Millionen Menschen jährlich die Anlage besucht haben.

Neben dem Schrein entdecken wir ein Schild mit dem Hinweis auf einen Japanischen Garten. Hinter einer hohen dichten Wand aus Bambus versteckt sich ein wunderschöner kleiner Park, dessen Gestaltung sich an den Lauf eines Bächleins anpasst. Die rote Brücke ist ein toller Blickfang und ein starker Kontrast zum satten Grün der Pflanzen drum herum.

Der Inari-Schrein, auf hohen Stelzen an den Berg gebaut, erhebt sich hinter dem nicht minder imposanten Eingangstor – es ist die drittgrößte Anlage dieser Art in Japan.

Vom geräumigen Innenhof steigen wir die Treppen zum Hauptschrein hoch. Dort kann man Münzen in ein Kästchen werfen und sich in ein kurzes stilles Gebet versenken. Hier wird die in Japan sehr beliebte Göttin Inari angerufen, die Menschen bitten um Glück, Kindersegen, beruflichen Erfolg und sichere Reise.

Auf einem Schild erkennen wir neben den japanischen Schriftzeichen nur den Hinweis: 300 Meter. Damit sind Höhenmeter gemeint, wie wir irgendwann feststellen. Diese muss mach überwinden, wenn man vom Hauptschrein zum Okunoin Schrein ganz oben auf dem Berg pilgern möchte. Der Weg führt durch mehrere lange Tunnel aus roten  Torii durch. Am Wegrand stehen viele schier unübersichtlich angeordnete Andachtsstätten: von einem riesigen Stein, der mit Tüchern und einem Torii gekennzeichnet ist, bis zu einer kleinen Statue mit einem rot angemalten Miniaturschrein davor, sind alle Größen und Varianten vorhanden. Wir bleiben immer mal wieder stehen, um Fotos zu machen und Luft zu holen, der Weg ist teilweise wirklich sehr steil.

Zurück auf Tempel-Normalnull schauen wir noch im Museum vorbei. Dort sind die Schätze der fürstlichen Familie Nabeshima ausgestellt. Ein ganzer Raum widmet sich Kazanin Manko-hime, der Ehefrau des Fürsten Nabeshima Naotomo, die bereits zu Lebzeiten für ihre Güte und ihre Dichtkunst gerühmt wurde. Ihr zu Ehren baute der Fürst 1687 diese ganze Anlage und einen Blumengarten mit Teich dazu. Der Garten stellt in Miniaturform die Gegend von Kyoto nach, aus der die Fürstin stammte; damit wollte der Fürst ihr Heimweh etwas lindern.

Nach einem langen Fußmarsch zurück in den Ort, finden wir in diesem Holzhaus ein Restaurant mit einer Auswahl an köstlichen Mittagsmenüs. Inzwischen haben wir gelernt, wie man mit Stäbchen einen gekochten Fisch zerlegen und essen kann, auch wenn wir diese Kunst noch lange nicht so souverän beherrschen wie die vier Damen am Nebentisch, die für eine Weile ihre fröhlichen Gespräche unterbrechen, um sich konzentriert ihrem Fisch zu widmen.

Auf dem Rückweg machen wir einen Zwischenstopp in Tara. Hier sind rote Torii-Tore vom Ufer bis ins Meer hinein aufgestellt. Bei Niedrigwasser fallen sie trocken und man kann durch sie hindurch spazieren.

Die Burg in Kumamoto

13. Mai 2023

In Kumamoto befindet sich eine der drei größten und bedeutendsten Burgen von Japan, die wir uns auch anschauen wollen. Das Wetter spielt an diesem Tag leider nicht so mit, alles ist grau und regennass. Am frühen Vormittag sind noch kaum Touristen unterwegs, als wir uns erst einmal die Anlage unterhalb der Burg anschauen: zwei kleine Straßen mit traditionellen Holzhäusern, in denen früher Samurai gewohnt haben sollen und in denen sich heute Andenkenläden und Restaurants befinden.

Erbaut wurde die Burg von 1599-1607 in der heutigen Größe unter der Leitung des Fürsten Kato Kiyomasa (1562-1611). Er kümmerte sich um den Wiederaufbau seiner Provinz Higo, der heutigen Präfektur Kumamoto, die in den letzten Kriegswirren sehr gelitten hatte. Unter anderem wurden Wälder aufgeforstet, Reisfelder angelegt und Entwässerungskanäle gebaut, die auch heute noch genutzt werden. Er baute den Handel mit den Portugiesen und der Spaniern aus und bewirkte insgesamt einen wirtschaftlichen Aufschwung für die Region. Die Menschen hier erinnern sich auch heute noch mit Dankbarkeit an ihn. Hier ein Denkmal des Fürsten, das ihn mit dem damals charakteristischen Spitzhut zeigt.

Während der sogenannten Satsuma-Rebellion von 1877, brannten große Teile der Holzkonstruktion des Schlosses unter bis heute ungeklärten Umständen ab. Trotzdem konnte die Burg einer Belagerung von über 50 Tagen Stand halten – in der historischen Aufarbeitung im Burgmuseum wird dieser Sieg als ein wichtiger Meilenstein in der Niederschlagung der Rebellion gewertet. Nach der Öffnung Japans fanden große politische und gesellschaftliche Umwälzungen statt, die historisch unter dem Stichwort Meiji-Restauration zusammengefasst werden. Gegen den Kurs der neuen Regierung mit ihrer Ausrichtung auf westliche Werte gab es erheblichen Widerstand.

Diese hohen dicken Mauern sehen tatsächlich unüberwindlich aus.

Erst 1960 wurden die Hauptgebäude der Burg nach alten Plänen neu gebaut und feierlich eingeweiht. Während des verheerenden Erdbebens von 2016 auf der Insel Kyushu wurde die ganze Anlage sehr stark beschädigt. Beim Wiederaufbau wurden die Fundamente mit beeindruckend massiven Stahlträgern verstärkt, die wiederum mit einer Hydraulik-Vorrichtung versehen sind.

Inzwischen ist die Burg wieder zugänglich – und ein beliebtes Foto-Motiv für Besucher aus aller Welt.

An diesem Nebengebäude sind die Schäden des Erdbebens noch gut sichtbar.

Das Burgmuseum erstreckt sich über vier Stockwerke und behandelt die Geschichte der regierenden Adeligen, zeigt den Verlauf der Satsuma-Rebellion und berichtet ausführlich über den Bau und die verschiedenen Phasen des Wiederaufbaus der Burg.

Die beiden Mädchen folgen gebannt einem Film über die Belagerung der Burg.

Im schmalen oberen 6. Stockwerk hat man einen wunderbaren Ausblick über die Stadt. Moderne und Tradition auf einen Blick.

Am Nachmittag besuchen wir das Shimada Kunstmuseum, das sich etwas abseits vom großen Trubel der Innenstadt in einer ruhigen Wohngegend befindet. Es beschäftigt sich hauptsächlich mit der Kultur der Samurai von Kumamoto, insbesondere mit einem der berühmtesten Vertreter seiner Zunft, dem Samurai Miyamoto Musashi. Dieser ließ sich nach seiner aktiven Zeit auf Einladung des Fürsten in Kumamoto nieder und betätigte sich fortan als Künstler und Schriftsteller. Sein „Buch der fünf Ringe“ gilt auch heute noch in Japan als ein bedeutendes und wegweisendes Werk.

In einem Raum des Museums werden die Besucher aufgefordert, sich auszuruhen und den Garten durch die große bis zum Boden reichende Fensterscheibe zu betrachten.

Das kleine gemütliche Café des Museums ist liebevoll eingerichtet und bietet dazu allerlei Kunsthandwerk und Postkarten zum Verkauf an.

Suizenji-Park

Kumamoto, 12. Mai 2023

Kumamoto ist die drittgrößte Stadt Kyushus und hat touristisch allerhand zu bieten. Hauptanziehungspunkt für uns ist allerdings die Einwanderungsbehörde, denn wir müssen unser Dreimonatsvisum verlängern, damit wir wie geplant bis Mitte Juli in Japan bleiben dürfen. Die Mitarbeiterin dort hatte wohl zuvor noch nie einen solchen Fall, allemal keine deutschen Segler, und muss erst einmal die Chefin konsultieren. Dann aber bekommen wir problemlos den neuen Stempel in den Pass und haben den Rest des Tages frei.


Den nutzen wir für einen Besuch im Suizenji-Park, der in den 1630er Jahren als Wandelgarten um einen See herum angelegt wurde. Spektakulär müssen hier wohl die Kirsch- und Pflaumenbäume zur Blütezeit sein, aber auch Mitte Mai hat der Garten mit seinen Steinbrücken, Kiefern und Reihern im Sonnenschein seinen Charme.

Eine breite Allee am Rand des Gartens ist zweimal im Jahr Schauplatz für das Bogenschießen zu Pferde, worin der Erbauer des Parks ein Meister und Lehrer war. In der Nähe stehen fünf Bonseki, bedeutungsvoll arrangierte Felsen umgeben von weißen und dunklen Kieselsteinen, abstrakte Gartenkunst auf japanische Art.


Dank eines Kimono-Verleihs im Eingangsbereich gibt es auch von den Touristen des 21. Jahrhunderts hübsche Fotomotive, und auch ein Hochzeitspaar nutzt den historischen Ort. Und weil es 1630 noch keine Farbfilme gab, sind die Bilder heute schwarz-weiß (ok, diese Erklärung hinkt gewaltig, aber was soll’s, ich wollte es einfach einmal ausprobieren).



Im Teehaus Kokindenju no Ma, das ebenfalls fast 400 Jahre alt ist, nehmen wir auf den Tatami-Matten Platz, trinken einen Grüntee und haben durch die offenen Schiebetüren einen wundervollen Blick auf den See.


Wir sind jedes Mal aufs Neue begeistert, wie die japanischen Gartenarchitekten mit ihrer gestalteten Natur ein solches Maß an Ruhe und Harmonie einfangen können.

Noch mehr Keramik in Amakusa

  1. – 11. Mai 2023

In den nächsten Wochen wollen wir kreuz und quer durch die geschützte Bucht der Ariake-See auf der Westseite von Kyushu tuckern. Es gibt hier viel zu entdecken und die Sehenswürdigkeiten liegen alle nicht weit auseinander. Und da sind ja auch noch die vielen Keramikwerkstätten auf der Insel Amakusa, von denen wir erst zwei besucht haben.

Von Kuchinotsu ist es nur ein kleiner Sprung rüber zum Hafen Hondo auf Amakusa. Wir haben mit einem Gegenstrom zu kämpfen, so dass wir teilweise nur mit 2kn Fahrt vorankommen und obendrein regnet es schon wieder. Gegen Abend wird der Regen deutlich stärker und auch Wind kommt auf, der gar nicht vorhergesagt war. Der große Schwimmsteg, an dem wir in diesem Hafen liegen, ist gar nicht gut geschützt. Bei Dunkelheit verlegen wir die Muktuk auf die andere Seite des Schwimmsteges, wo es immerhin geringfügig besser ist. In der Nacht schlafen wir kaum, zu unruhig sind die Bewegungen des Bootes, zu laut knarzen und quietschen die Leinen und Fender. In der Früh nehmen Wind und Welle noch einmal an Stärke zu und wir legen zusätzliche Leinen, um das Boot zu sichern. Die Muktuk wird heftig hin und her geworfen, einer unserer neuen japanischen Fender wird fast zwischen Boot und Steg zermahlen und ich werde im Hafen seekrank!

Immerhin scheint nun die Sonne und so beschließen wir, die Muktuk soweit gesichert, am Steg alleine zu lassen und machen uns auf den Weg in den Ort. Zuerst suchen wir in den beiden Gebrauchtwarenläden der Stadt nach einem Hartschalen-Koffer und finden tatsächlich einen richtig großen, stabilen mit Rollen. Nun können wir beruhigt weiter Keramik einkaufen!

Alle Töpfereien der Insel sind auf einer übersichtlichen Karte verzeichnet, die das Tourismusbüro von Amakusa herausgegeben hat. Hier, in und um Hondo-Amakusa herum, gibt es etliche Werkstätten, die wir zu Fuß erreichen können.

Auf dem Weg zu den einzelnen Töpfereien bewundern wir die vielen schönen Häuser und die liebevoll gestalteten Vorgärten, manche Besitzer haben Blumenbeete angelegt und ziehen dazwischen Gemüse. Ein für uns schon sehr vertrauter Anblick.

Wir spazieren auch durch die große Parkanlage, wo im Frühling die Kirschbäume blühen und in ein paar Wochen der große Liliengarten in voller Blüte stehen soll.

Hier ein paar Impressionen von den Häusern und ihren Gärten, dem Park sowie den Töpfereien mit ihrer schönen Keramik.

Fisch in der Falle

Shimabara, 7. Mai 2023

Segeln mit Familienanschluss. So kommen wir uns mittlerweile in Japan vor. Vor rund zwei Wochen hatten wir in Makurazaki einen sehr netten Segler namens Kosei kennengelernt, der auf dem Weg nach Okinawa dort Station machte. Er empfahl uns eindringlich, den Hafen von Kuchinotsu zu besuchen, denn dort erwarte uns nicht nur ein großer Schwimmsteg, sondern auch sein Bruder Eiji.

Und so war es denn auch. In strömendem Regen wartete Eiji zusammen mit zwei Freunden auf uns, und wegen des stärker als erwartet ausfallenden Gezeitenstroms kamen wir auch noch eine Dreiviertelstunde verspätet an. Am nächsten Tag wurden wir mit dem Auto abgeholt und konnten alle zusammen an einem ganz besonderen, einmal jährlich stattfindenden Spektakel in Shimabara teilnehmen: dem Frühlings-Fischfallen-Festival.

Und das geht so: schon seit Ewigkeiten nutzten die Einwohner Shimabaras die starken Gezeiten (der Tidenhub erreicht fast sechs Meter) zum Fischfang, indem sie einen Steinwall am Strand errichteten und so eine halbrunde Fläche von fast zweihundert Metern Durchmesser umschlossen. Bei Hochwasser wird der Steinwall überspült, und wenn das Wasser mit der Ebbe abfließt, bleiben Fische, Krebse und Kraken zurück und können bei Niedrigwasser einfach eingesammelt werden.

Jedenfalls war das bis vor rund fünfzig Jahren so, dann geriet diese Fangmethode in Vergessenheit. Vor zwölf Jahren aber beschloss die Stadtverwaltung, den Damm wieder herzurichten und einmal jährlich im Frühling ein Fischfallen-Fest zu veranstalten, um den Kindern der Halbinsel beizubringen, was es an lokalen Fischsorten und anderen Meerestieren gibt. Schließlich ist der Fischfang tief in der japanischen Kultur verwurzelt. Nur leider sind Japans Küstengewässer mittlerweile so stark überfischt, dass sich kaum mehr Fische freiwillig in die Falle begeben. So müssen also für das Fest eigens gefangene Fische und Meerestiere in der Fischfalle ausgesetzt werden, damit die Kinder sie später fangen können.

Das Aussetzen der Fische ist also der erste Akt des Spektakels, bei dem sich auch die Lokalpolitiker in Gummistiefeln im Fischweitwurf üben müssen. Als nächstes dürfen Kleinkinder, die noch an der Hand der Eltern gehen, an den Rand der verbliebenen Wasserfläche. Erst wenn alle da sind, darf der Fang beginnen. Ganz diszipliniert halten sich auch alle daran und warten auf die Lautsprecherdurchsage. Dann stürzen sich aber alle Kinder, ihre Eltern hinter sich herziehend, in die Fluten. Als zweites dürfen dann auch die größeren Kinder losziehen, und am Ende kommen die Erwachsenen.

Alles in allem sollen in diesem Jahr knapp tausend Personen teilgenommen haben. Birgit und ich scheinen die einzigen Ausländer zu sein. Wir sind ein wenig zwiegespalten: einerseits stimmt es traurig, wenn der einstige Fischreichtum Japans schon so dezimiert ist, dass man den Kindern extra gefangene Fische vorsetzen muss, um ihnen das Wissen um die Natur vermitteln zu können. Andererseits aber haben alle ganz offensichtlich einen Heidenspaß dabei, kommen erschöpft und teils klatschnass, aber begeistert an den Strand zurück. Und sind mächtig stolz, wenn sie in ihrem Netz einen Fisch oder gar einen Oktopus vorzeigen können. Und wir sind froh, dabei sein zu dürfen.

Schüler aus Stein

Nagasaki, 2. Mai 2023

Auf der Suche nach einem Laden für gebrauchte Fahrräder in Nagasaki sind wir zufällig über das angeblich einzige authentische Konfuzius-Mausoleum Japans gestolpert. Das wuchtig-chinesische Gebäude hat uns angelockt. Drinnen macht China ein wenig Werbung für sich und seine neue Seidenstraße; etliche Kunstwerke aus den Beständen Pekinger Museen werden ausgestellt.



Das (uns) Beeindruckende sind aber die lebensgroßen Statuen der 72 besten Konfuzius-Schüler, den sogenannten „Weisen“. Jede einzelne der aus weißem Stein gehauenen Figuren hat ihren eigenen, ganz spezifischen Charakter. Man kann dicht an sie heran oder um sie herumgehen, ihre Haltung und ihren Gesichtsausdruck genau inspizieren und sich vorstellen, welche Persönlichkeit dieser alte weis(s)e Mann wohl gewesen sein muss.






Manche schauen gütig und wohlwollend drein, manche geben sich unnahbar, andere grimmig, wieder andere fromm. Manche sind gebeugt, andere sehen nach oben, aber jeder Einzelne ist ungeheuer ausdrucksvoll dargestellt. Es ist ein großes Vergnügen, zwischen den Reihen dieser Weisen durchzulaufen und sich vorzustellen, wie wohl das Vorbild der Figur gewesen sein muss. Schade, dass man nicht die Biografien zur Hand hat, um seinen Eindruck überprüfen zu können. Oder sich überraschen zu lassen.