San Pedro Spanish School 10. – 21. August

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In Guatemala, so meinen wir, kann man sehr gut Spanisch lernen. Die Auswahl und Anzahl der Schulen ist gross, die Menschen sprechen hier sehr deutliches und klares Spanisch. Alle Schulen bieten einen erschwinglichen Einzelunterricht an, man kann in Familien wohnen, um auch außerhalb der Unterrichtsstunden Spanisch zu sprechen und man erhält einen Einblick in den Alltag der Menschen. Und mit der San Pedro Spanish School haben wir eine richtig gute Schule gefunden!

Balkonblick

Wir fühlen uns sofort wohl in unserer Familie, haben ein großes ruhiges Zimmer mit Blick auf den See. Conchita ist eine selbstbewusste junge Frau Ende Zwanzig und Mutter von zwei Mädchen: Jusita (9), die sich auch gerne mit uns unterhält und der kleine Wirbelwind Blanca (3). Ihr Mann arbeitet zurzeit legal in Kanada auf einer Gemüsefarm und kann immerhin zwei Monate pro Jahr auf Heimaturlaub kommen. Ein Jahr noch, dann ist er wieder endgültig in San Pedro und darauf freuen sich schon alle.

Conchita ist ein aktives Mitglied der Baptistengemeinde, auch die Kinder sind in abendlichen Veranstaltungen dort eingebunden. Ein bis zwei Mal pro Woche organisiert die Frauengruppe Besuche bei Familien, die in Not geraten sind, oder wo ein Kranker Hilfe und Zuspruch braucht – ungeachtet der Kirchenzugehörigkeit. Auch die Gemeinschaft der Großfamilie ist stark, die Hilfe untereinander selbstverständlich. Da Conchita lebhaft und ausführlich erzählen kann, erfahren wir bei den drei gemeinsamen Mahlzeiten Tag für Tag neue Geschichten aus dem Dorf und der Umgebung.

Die zwei Wochen in der Sprachschule vergehen viel zu schnell: mit Estela, meiner Lehrerin, ungefähr in meinem Alter, freunde ich mich schnell an und wir haben viele gemeinsame Gesprächsthemen. Sie war früher Grundschullehrerin und findet nun ihre Arbeit mit den Schülern aus allen Herren Länder viel spannender, auch wenn die Arbeitszeiten und die Bezahlung nach Schüleraufkommen schwankt und sie manchmal sehr genau rechnen muss, um mit ihren vier Kindern über die Runden zu kommen. Erst gibt es zwei Stunden lang Konversation und nach einer erholsamen Kaffeepause in dem gemütlichen Café der Schule noch mal ordentlich Grammatik.

Die Schule besitzt einen großen Garten, der zum See hin abfällt, viele verschlungene Pfade, Sträucher, Bäume, Blumen, alles wird von einem Gärtner liebevoll gepflegt. Und überall verstreut und versteckt kleine Pavillons, wo die Schüler mit ihrem jeweiligen Lehrer sitzen: ein kleiner Tisch, zwei Stühle, eine Tafel.

Am Nachmittag werden Konversationskurse angeboten, nach Sprachniveau aufgeteilt kann man, freiwillig natürlich, daran teilnehmen. Diese eine Stunde könnte ruhig länger gehen, so unterhaltsam und lustig geht es zuweilen zu und wir lernen nette Menschen kennen.

Zwei Mal pro Woche gibt es danach noch Landeskunde: z.B. ein Film über den 30jährigen Bürgerkrieg, der 1996 mit einem Waffenstillstand endete, am Tag darauf erzählt uns ein Überlebender des Militärterrors (der Anfang der 80er Jahre unter General Montt besonders gewütet hatte) von seinen Erfahrungen. Heute ist er Sportlehrer und hat seine grauenhaften Erlebnisse als Jugendlicher gut verarbeiten können. Auch der Vortrag über die Kultur der Maya macht neugierig auf mehr Informationen.

Die Schule unterstützt mit 10% der Gebühren eine Art Schülerhort nenbenan, die „Ninos del Lago“, sozial benachteiligte und arme Kinder werden dort mit einem Mittagessen versorgt und erhalten Hilfe bei den Hausaufgaben.

Es ist alles in allem eine sehr intensive Zeit, wir lernen schnell und viel Spanisch, hoffen, dass wir davon nicht allzu viel wieder vergessen und wir lernen vor allem eine Menge über das Land selber, die Geschichte, den Alltag, die bevorstehenden Wahlen.

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Volksfest in Solola, Tanz der Conquistadores

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Volksfest in Solola, Prozession

San Pedro Atitlan 9. – 22. August 2015

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Noch in Antigua, als wir erzählten, dass wir anschließend nach San Pedro zu unserem Spanisch-Kurs weiterreisen werden, ernteten wir ein unverständliches Kopfschütteln, „wieso ausgerechnet dieses Hippie-Dorf? Antigua ist doch so viel schöner, um hier zu lernen?“. Wenn schon am Atitlansee, hieß es weiter, dann doch lieber das Dörfchen San Marcos…

Solcherart gewarnt verließen wir Antigua mit gemischten Gefühlen. Der Atitlansee erwartete uns nachmittags mit Wind und Regen, die Überfahrt von Panajachel mit einer kleinen Personenfähre, einer „loncha“, gestaltete sich nass und sehr schaukelnd.

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Der See kann aber auch malerisch schön und ruhig am Morgen da liegen, und ist nicht zu Unrecht eine weitere Touristenattraktion Guatemalas. Auch hier gibt es drei Vulkane, zwischen 3000 und 3500m hoch, Teil des vulkanischen Rückens, der das ganze Land durchzieht, die Hochebene hat ein wunderbar angenehmes Klima, ewiger Frühsommer. Für Alexander von Humboldt war er einer der schönsten, wenn nicht gar der schönste See der Welt. Allerdings wäre er über die heutige Wasserqualität entsetzt, trübe und voller Algen ist er, wenn die Temperaturen steigen…

Um den See herum leben zwei Maya-Gruppen, die Tzutujiles und die Cakchiqueles, deren Sprache so unterschiedlich sein soll, dass sie sich kaum untereinander verständigen können.

Fast alle Maya-Frauen tragen die traditionelle Tracht, ein gerader Rock, an den Seiten eingeschlagen und von einem breiten Gürtel festgehalten. Blusen mit luftigen Ärmeln dazu in vielerlei Farben und Ornamenten und für die kälteren Regionen eine ebenfalls aus festem Stoff gewebte Bluse, der „huipil“. Jeder Ort hat seine eigenen typischen Rock-Muster, aber vor allem die jungen Frauen nehmen es heute nicht mehr so genau und wechseln täglich die Farben und Muster. Traditionell wird an Weihnachten eine neue Tracht gekauft.

Kürzlich fand im Grassimuseum Leipzig eine Ausstellung über Maya-Textilien statt: hier der Ausstellungskatalog online:

http://www.mvl-grassimuseum.de/fileadmin/Redaktion/Leipzig/III-2015/Begleitheft_Gewebte_Zeit_letzte_Fassung-small.pdf

An den Vulkanhängen um den Atitlan-See wird ebenfalls Kaffee geerntet, eines der drei großen Anbaugebiete in Guatemala. Großgrundbesitzer und viele Kleinbauern gibt es hier, letztere, die davon mehr schlecht als recht leben müssen. Die Kleinbauern sind von der aktuell grassierenden Krankheit der Kaffeepflanzen am härtesten betroffen, Hilfsprogramme sind zwar angelaufen, um ihnen den Kauf von jungen und resistenten Pflanzen zu ermöglichen. Ob die Hilfe dann tatsächlich bei ihnen ankommt?

Mit den vielen Touristen kommt auch etwas Wohlstand in die Dörfer direkt am See. Wir hören immer wieder: „Uns geht es inzwischen gut hier, wir können drei Mal täglich essen, oben in den Bergen müssen sich viele Familien mit einer Mahlzeit am Tag begnügen“. Der Armutsreport des Landes spricht ja auch von einer erschreckend hohen Anzahl von Kindern mit Mangelernährung. Und auch hier gibt es in fast jeder Familie einen Bruder oder Onkel, der den gefährlichen und beschwerlichen Weg durch Mexiko genommen hat (entweder ein tagelanger Fußmarsch durch die Wüste oder die riskante Fahrt mit der „Bestia“, dem Güterzug). Und wer es über die inzwischen schwer bewachte Grenze in die USA geschafft hat, bleibt dort mindestens vier Jahre als illegaler Immigrant, arbeitet auf dem Bau, auf Feldern oder als Tellerwäscher im Restaurant. Viele Familien nehmen bei den Banken Kredite auf, um die Schlepper und vor allem die „Coyoten“ zu bezahlen, die die Schlupflöcher an der Mauer zur USA kennen. Mit 1,3 Mio Guatemalteken, die zurzeit in den Vereinigten Staaten leben und arbeiten, soll mal wieder ein Höchststand erreicht sein.

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San Pedro, wo wir zwei Wochen lang wohnen und lernen, macht tatsächlich auf den ersten Blick im Vergleich zu dem aufgeräumten Antigua einen etwas heruntergekommenen Eindruck. Aber wir finden auch hier ein paar malerische Ecken. Der Ort zieht sich von der Anlegestelle weit den steilen Berg hoch. Die Straße parallel zum Ufer ist für Hotels, Restaurants und Cafés reserviert. Auffallend viele Rucksacktouristen sind unterwegs, viele junge Menschen aus Israel, in jedem zweiten Lokal wird „humus“ und „falafel“ angeboten, Speisekarten und Hotels werben in hebräischer Schrift. Der Ortskern mit katholischer Kirche, Park, Markt und Sportplatz befindet sich weiter oben und dorthin verirren sich kaum Touristen.

Läuft man die vielen Gassen ab, fallen nicht nur die allgegenwärtigen Wahlplakate ins Auge, überall hängen religiöse Spruchbänder, werben Wandmalereien für eine der vielen evangelikalen Kirchen: „Der Herr ist mein Weg“, „Jesus ist das Licht, mein Wegweiser“, usw.

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Markt in Xela (Quetzaltenango)

Guatemala soll das bevölkerungsreichste Land Mittelamerikas sein, auf einem Drittel der Fläche der Bundesrepublik Deutschland leben etwa 13 Mio Menschen. Regenwald wechselt sich ab mit landwirtschaftlichen Flächen, Vulkane, Seen, malerische Flüsse. Vom tropischen Regenwald bis zum Hochland mit Schnee im Winter reichen die Klimazonen.

Die Dichte an PKWs ist gering, ein eigenes Auto können sich nur wenige leisten, also wird gemeinsam gefahren. Vom Rio Dulce bis zur Hauptstadt Guatemala City fährt ein luxuriöser Linienbus, mit eisiger Klimaanlage, lauten Action-Filmen, Mariacci-Musik. Vor dem Einsteigen werden alle Handtaschen und Rucksäcke auf Waffen kontrolliert.
Touristen werden in besseren Kleinbussen zu Zwölft transportiert. Die Agenturen und Hotels arbeiten reibungslos Hand in Hand mit den Busfahrern und bringen die Gäste von einem Hotel sicher zum nächsten. Das Gepäck wird auf dem Dachträger festgebunden, manchmal auch mit einer Plane gegen eventuelle Regenfälle geschützt.

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Touristen

Man kann sich aber auch zu den Einheimischen gesellen und mit den sogenannten „Chickenbussen“ fahren. Das sind ausrangierte Schulbusse aus den USA, die entweder noch die ursprüngliche gelbe Farbe mitsamt Aufschrift tragen oder aber wild und phantasievoll gestrichen sind und nachts ein tolles Lichtdesign herzeigen. Diese Busse verkehren nicht nach einem festen Fahrplan, sind oft vollgepackt, der Ausrufer muss sich mühsam durchkämpfen, manchmal sogar akrobatischvon Fenster zu Fenster hangeln, um das Fahrgeld zu kassieren.

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Chickenbus

Genauso lustig geht es in den Mikrobussen zu, den „colectivos“: der Ausrufer wird für seinen Job sicher nach der Dezibelstärke seiner Stimme ausgesucht, er ruft am Busbahnhof so lange, bis der Bus voll ist, dann geht es los. Unterwegs wird angehalten, wo immer ein Fahrgast raus will, ein Winken am Wegrand genügt, und die Leute werden mitgenommen. Egal, ob noch Platz ist, es wird einfach zusammengerückt, Kinder sitzen sowieso immer auf dem Schoß. Notfalls hängt sich der Ausrufen aussen an die Tür, manche müssen aufs Dach steigen. Unser Rekord waren einmal 29 Personen in einem Bus für 11.

Am abenteuerlichsten sind die Pickups: offene Ladeflächen, ein Gerüst darauf geschweisst, wo man sich festhalten kann. So fährt man eng beisammen stehend zu Festen oder zum Markt in die nächst gelegene Stadt, die Kinder halten sich an den Eltern fest, die Babys in den Tragetüchern auf dem Rücken schaukeln mit.

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Für kurze Strecken in den Ortschaften sind die Tuck-Tucks sehr beliebt. Sie huppeln über das Kopfsteinpflaster in Antigua oder schnaufen den Berg hoch in San Pedro, umfahren geschickt die Schlaglöcher. Meistens verziehrt ein religiöser Spruch die Windschutzscheibe oder der Name der Liebsten und bei Dunkelheit ist jedes Gefährt mit einem individuellen Lichtdesign ausgestattet.

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Aber nicht nur die Tuck-Tucks werden gut beladen, auch auf den Motorrädern sieht man oft ganze Familien sitzen, die Eltern halten vorne und hinten jeweils ein Kind fest. Fahrräder sind auch beliebt, auf dem Gepäckträger Säcke und im Korb vorne ein Kleinkind. Zwar werden ab und zu in der Zeitung Fotos solcherart beladener Vehikel gezeigt, mit der Meldung, dass die Polizei Strafen verteilt habe. Aber es scheint keinerlei abschreckende Wirkung zu haben…

Markt in Antigua

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Der Markt in Antigua ist ein Labyrinth, in dem man sich gut verlaufen kann. Ein riesiges überdachtes Gelände in dem man alles finden kann was man braucht und auch was man nicht braucht. Im Eingangsbereich gibt es noch eine große übersichtliche Halle, dann aber reiht sich ein Gang an den anderen und wir wissen bald nicht mehr, wo wir sind: haben wir diesen Fleischstand schon gesehen, diesen Stoffladen etwa und ach, hier gibt es Kerzen, daneben Haushaltwaren. Jedes freie Plätzchen ist mit ein paar Körben oder Kisten voller Obst und Gemüse belegt.

Erst beim zweiten Besuch entdecken wir den Teil des Marktes, wo man mittags warm essen kann: Mais-Suppe, Hühnereintopf mit Hals und Bein, Schweinepfoten mit Gemüse und wo uns überall entgegen gerufen wird „adelante, adelante!“. Hier schmeckt es am besten!

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Und überhaupt der Lärmpegel: die Verkäufer rufen lauthals ihre Ware aus, dazwischen laufen Bauern mit ihren Säcken auf dem Rücken, die sie an die Händler loswerden wollen, auch sie preisen ununterbrochen ihre Produkte an. Und immer mal wieder steht ein christlicher Ausrufer da, mit der Bibel unter dem Arm und einer tragbaren Verstärkeranlage auf dem Rücken. Es ist Samstag und da helfen auch viele Kinder mit, ein Mädchen von etwa 10 Jahren geht durch die Reihen, auf dem Kopf ein Korb mit Tüten voller Lytchees. Sie hat ein bezaubernd schüchternes Lächeln und freut sich über jeden Verkauf. Als wir sie fragen, ob wir ein Foto machen dürfen, schüttelt sie allerdings erschrocken den Kopf. Also fotografieren wir weiter nur aus der Ferne…

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Antigua Guatemala

05. – 09. August 2015

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Antigua Guatemala, die alte Hauptstadt, ist unbestritten die schönste Stadt in diesem Land: Koloniale Bauten, hübsche Häuser mit malerischen gepflegten Innenhöfen und eine Vielzahl von Kirchen und Klosterruinen. Als Stadtensemble befindet sich Antigua schon lange auf der Liste der Unesco-Kulturerbestätten und wird mit entsprechenden Mitteln gefördert. Das bedeutet auch, dass die Häuserfassaden ihre erdfarbenen Anstriche in gelb, ocker, rot wie ehedem erhalten und ein hübsches Strassenbild ergeben.

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Die unzähligen Kirchen und romantisch aussehende Klosterruinen erzählen aber auch von einer unrühmlichen Vergangenheit. Um die Christianisierung in der Neuen Welt voranzutreiben, wurden den Klöstern große Ländereien zugesprochen und die Abgaben an den spanischen König erlassen. Nur mit Hilfe von Sklavenarbeit, zu der die indigene Bevölkerung gezwungen wurde, konnten diese Bauten errichtet, die riesigen Ländereien bewirtschaftet werden. Die Nonnen und Mönche lebten jahrhundertelan in Saus und Braus – das große Erdbeben von 1773 wurde denn auch als Strafe Gottes für das ausschweifende Leben der Kirchenleute gesehen.

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Die Stadt ist bestens eingerichtet für die vielen Touristen, Sprachschüler und die Wochenendbesucher aus der neuen Hauptstadt, die nur 45 km weiter weg liegt. Es herrscht ein angenehmes Klima, gute Luft und drei große Vulkankegel, alle in ein sattes Grün getaucht, sorgen für eine prachtvolle Kulisse.

Unser Hotel verfügt über eine Dachterrasse, wo wir frühmorgens einen herrlichen Blick auf die umliegenden Berge haben.

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Das Angebot an internationaler Küche und guten Restaurants kann hier genauso gut mit einer deutschen Großstadt mithalten, dazu viele gemütliche Cafés an jeder Ecke, wo der hervorragende Kaffee angeboten wird, der an den Vulkanhängen angebaut wird. Wir finden außerdem zwei Schokoladenmuseen mit Café und Verkaufsräumen. Aber auch die Straßenstände locken mit Tortillas und frisch geschnittenes Obst wird von fliegenden Händlerinnen angeboten.

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Ungezählt sind die vielen Läden mit Kunsthandwerk, hauptsächlich Webarbeiten, aber auch Schmuckläden, die Jade verarbeiten und anbieten. Auch auf den Straßen im Zentrum werden wir alle paar Meter von Maya-Frauen angesprochen, die Tücher in den schönen bunten Farben anbieten, viele von ihnen mit einem Baby im Tragetuch auf dem Rücken oder einem Kleinkind im Arm.

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Wir fahren zum nächstgelegenen Hügel hoch: ein neues Parkgelände mit einem Museum, Veranstaltungsräumen. Hier kann man im Grünen auf geschwungenen Wegen herum laufen und die ausgestellten Skulpturen und Kunstinstallationen anschauen. Zum Sonnenuntergang setzen wir uns ins Restaurant der Anlage und geniessen den schönen Blick zum gegenüberliegenden Vulkan und aufs Lichtermeer der Stadt. Als es gänzlich dunkel wird, sehen wir von der Terrasse des Restaurants an einer Flanke des Vulkans immer mal wieder eine kleine Eruption und einen Lavastrom. Da soll ein Flussbett sein, der die Lava stoppt und somit das darunter liegende Dorf schützt.

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Abends wird jeden Tag irgendwo in der Stadt Live-Musik gespielt und am Wochenende kann man sich gar nicht entscheiden, wohin man gehen soll, so viel wird angeboten. Wir lernen an diesen Abenden sehr nette Menschen kennen, werden zu weiteren Musikabenden eingeladen und bedauern es schon ein wenig, dass wir nach vier Tagen weiter ziehen müssen.

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Piñata

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Das erste Mal hörte ich dieses Wort, als ich gebeten wurde, aus Spanien eine Piñata mitzubringen. Dort, in Galicien, kannte man sie allerdings nicht, ich erntete Kopfschütteln auf meine Fragen und ratlose Gesichter angesichts meiner Erklärungen: es ist, wie sich herausstellte, ein in Lateinamerika verbreiteter Brauch, für einen Kindergeburtstag ein Behältnis voller Süßigkeiten zu füllen, es aufzuhängen, so dass Kinder mit Stöcken oder anderen Behelfsmitteln darauf schlagen können, bis sich ein Regen an Bonbons und Schokolade auf sie ergießt.

Diese Behältnisse sollen einerseits stabil und doch zerbrechlich sein und dazu noch ansprechend bunt, wie es sich für einen Kindergeburtstag gehört.

In Guatemala City stießen wir überraschend gleich auf mehrere Geschäfte, die Piñatas verkauften, ein Laden reihte sich an den anderen, ein ganzes Stadtviertel scheint von der Produktion zu leben.

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Und die Motive, Farben und Formen erst! Prinzessinnen, Ballerinas, Monster, alle Zeichentrickfilme der letzten Jahrzehnte scheinen vertreten zu sein, ja sogar ein „angry bird“ – für Jungs und Mädchen, Große und Kleine…

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Neben den Läden gab es auch die Werkstätten, wo wir einen kurzen Blick auf die Bastler der Piñatas erhaschen konnten. Drahtgestelle wurden in einer atemberaubenden Geschwindigkeit erst mit weißem Papier beklebt, Arme, Beine, Ohren, Gesichter daraus schon mal vorgeformt. Dann erst wird das „chinesische Papier“, dünnes Buntpapier darauf geklebt.

Am liebsten hätte ich für meine Nichten einige eingepackt, aber ob die mitreisenden Fluggäste einverstanden wären, wenn ich zwei Klappen des hart umkämpften Platzes für Rollkoffer und Rucksäcke mit ihnen belegen würde?

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Guatemala – Mittelamerika – Central America

Neue Länder, neue Sprachregelungen: Wenn wir hier mit den US-amerikanischen Seglern sprechen, heißt es immer, wir sind in Zentralamerika. Bei Mittelamerika schauen sie erst einmal irritiert, damit verbinden sie eine Region ihres Landes…

Während der ersten zwei Wochen in der abgeschiedenen Welt des Rio Dulce haben wir ab und zu in Wikipedia über Guatemala gelesen. Dass weniger als die Hälfte der Bevölkerung sich den „indigenas“, Mayas, zuordnen, konnten wir kaum glauben, das Straßenbild zeigte uns etwas anderes. Die wenigen Touristen und Ladinos, Nachfahren der Spanier und deutschen Einwanderer, fallen deutlich auf zwischen den vielen Menschen mit indianischen Gesichtszügen, die Frauen überwiegend in ihrer bunten Tracht.

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Rio Dulce, im Ort Fronteras teilen sich Fußgänger, Straßenstände und Trucks die enge Fahrbahn

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Überall werden Tortillas gebacken!

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Auch in der Hauptstadt, Guatemala City, war es nicht viel anders. Dort hatten wir einen Tag lang Zeit, bevor unser Flug nach Deutschland ging. Im Zentrum versammelten sich an jenem Tag, Ende Mai, an verschiedenen Plätzen Menschen, zogen in Gruppen an uns vorbei, mit Fahnen und Spruchbändern. Dazwischen und vor einigen Gebäuden Polizei mit den obligatorischen Maschinengewehren.

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Polizei vor dem Ministerium in Erwartung der Demonstranten

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Zwei Stunden später…

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Vor einem Ministerium stand eine größere Gruppe, sie skandierten Parolen, andere saßen im Schatten und aßen ihre mitgebrachten Tortillas, kauften von den Straßenhändlern frisches Obst in Tütchen. Zwei junge Männer fielen uns auf, einer davon hatte einen Fotoapparat mit Teleobjektiv in der Hand. Wir sprachen sie an, ob sie wüssten, weshalb heute diese vielen Demonstrationen stattfänden. Jeff, der eine, begann zu erzählen und wir erhielten innerhalb von zwanzig Minuten einen Schnellkurs in Sachen Zeitgeschichte. Zwei, drei Monate zuvor war bekannt geworden, dass etliche Regierungsmitglieder Steuergeldern beiseite geschafft hatten, dieses Mal war das Ausmaß der Selbstbedienung allerdings so groß, dass sogar Minister und der Vizepräsident zurücktraten

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U.a. fehlt dieses Geld nun im sowieso schon maroden Gesundheitswesen und Land, das den Kleinbauern versprochen worden war, konnte nicht verteilt werden, usw. Also gab es schon seit einiger Zeit immer wieder Demonstrationen, und an diesem Tag waren nicht nur die Angestellten der Krankenhäuser und Polykliniken auf der Straße, aus dem ganzen Land kamen „campesinos“, Bauern zusammen. Jeff, ein us-amerikanischer junger Journalist, der schon seit etlichen Jahren in Guatemala lebt, erzählte uns auch von den Oligarchen, ihrem Reichtum, dem Einfluss der USA, von dem Misstrauen der indigenen Bevölkerung der Polizei und dem Militär gegenüber, der 30jährige Bürgerkrieg endete ja erst 1996. Die Rate der Analphabeten ist erschreckend hoch, viele Mayas sprechen einen der 15 Dialekte, aber nicht alle können Spanisch. Der Schulunterricht auf dem Land sollte zweisprachig sein, das wird kaum gewährleistet.

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Die bunte Menge im Hintergrund: ebenfalls Demonstranten

In den Straßen der Hauptstadt war uns vorher schon aufgefallen, dass die Telegrafenmasten auf Augenhöhe mit bunten Ornamenten bemalt waren – auch ein Zeichen des Protestes, so können oder dürfen darauf keine Wahlplakate geklebt werden. Warum tragen so viele Maya-Frauen Tracht, nicht aber die Männer? Teil des Genozids, während des Bürgerkrieges wurden Männer, die z.B. bunt gewirkte Gürtel oder Umhängetaschen trugen, vom Militär als Rebellen klassifiziert, wurden festgenommen, erschossen, galten als Freiwild.

Die Bereitschaft auf die Straße zu gehen und nicht mehr alles hinzunehmen, wertete er als einen beginnenden gesellschaftlichen Wandel, der sich vielleicht schon in den kommenden vorgezogenen Wahlen im September niederschlagen könnten. Er schreibt für eine Internetseite, die sich kritisch mit politischen und gesellschaftlichen Vorgängen in Lateinamerika auseinandersetzt: upsidedownworld.org.

Es wird also spannend werden in den nächsten Monaten und wir hoffen, noch einiges dazu zu lernen, auf unseren Fahrten durchs Land.

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Beim Parque Central neben der Demo bietet ein Bauer seine Ziegen zum Verkauf an

Rio Dulce – Guatemala

Frühmorgens ein paar Stunden vor Landfall, kam eine Brise aus West auf und brachte mit einmal einen eigentümlichen Geruch mit sich: nach frisch gepflügter Erde oder Waldboden im Frühling, leicht modrig. Schon nach fünf Tagen auf See ist es ein intensiver Eindruck, genauso wie sich auch unsere Augen an das viele Grün gewöhnen müssen.

Guatemala hat auf der Atlantikseite einen kleinen Küstenstreifen, wir steuern das Örtchen Livingston an, das an der Mündung des Rio Dulce liegt. Vorher müssen wir noch die berühmte Barre passieren, ein Flach von nur etwas mehr als 2m Tiefe bei Hochwasser, durch das sich manche Segelboote von den Fischern durchziehen lassen müssen. Für uns kein Problem, wir heben einfach den Kiel hoch!

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Livingston

In Livingston kommen, kaum haben wir den Anker fest, vier Beamte an Bord, füllen ein paar Papiere aus und 15min später sind sie wieder weg. Damit ist der Papierkram aber noch nicht fertig und wir nehmen dieses Mal die Dienste eines Agenten in Anspruch, der genau weiß, welche Behörden man ablaufen muss. Dann sind wir offiziell in Guatemala einklariert und können uns hier ein dreiviertel Jahr aufhalten.

Hübsch ist es hier, von der Küste bis zu den Bergen hoch ein sattes Grün, dichter Regenwald, in der Ferne sieht man nur vereinzelt freie Felder ohne Bäume drauf. Am Ufer ab und zu ein paar palmenbedeckte Häuser, längliche Fischerboote daneben festgemacht. Livingston ist ein gemütliches kleines Städtchen, ein paar Backpacker tummeln sich, vereinzelte Touristen, ein buntes Straßenbild, u.a. Nachfahren der Spanier, sowie der ehemaligen Sklaven aus Afrika, überwiegend aber die hier ansässigen Mayas. Viele Frauen sind in Tracht zu sehen, lange geraffte Röcke aus dunkel gewebten Stoffen, über der Bluse ein luftiger durchwirkter Poncho, ärmellos, in unterschiedlichen Farben, manche kunstvoll mit Blumenmustern an Hals und Armausschnitt bestickt. Wir laufen durch die paar Straßen des Ortes, Läden mit Kunsthandwerk und Krimskram wechseln sich ab mit Lokalen, zwei Bäcker, eine Bank, und überall Imbiss-Stände und fliegende Händler, die von allem was anbieten. Und ein winziger Markt mit frischem Obst und Gemüse – nach einem halben Jahr mal wieder Brokkoli! Und auch hier die köstlichen Mangos!

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Am nächsten Tag machen wir uns auf den Weg flussaufwärts, das schönste Stück dieser Reise liegt vor uns, eine märchenhaft verwunschene Passage. Noch ein paar Häuser am Ufer mit schönen Gärten, Bootshäuser dazu, dann umfängt und der grüne Urwald. Es riecht wieder so grün und frisch, ab und zu sogar blumig, und wellenartig erfüllt ein lautes Sirren die Luft und verklingt wieder. Auf den Bäumen oder am Boden sitzen unzählige weiße Reiher, Zitronenfalter schwirren vorbei und ein großer brauner Schmetterling, der sich sogar auf dem Wasser neben dem Boot niederlässt, um zu trinken.

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Lange Abschnitte der Flusswindungen sind unbewohnt, selten sieht man ein Haus, eine Hütte. Irgendwann taucht ein Restaurant mit Anlegesteg auf, dann ein paar Bungalows für Touristen, gut versteckt inmitten des Grüns.

Ab und zu braust ein Boot vorbei, meistens mit 5-20 Passagieren darin, es gibt hier in der Nähe kaum Straßen. Dann wieder ein kleines Paddelboot, in dem Obst und Gemüse oder Fisch auf grünen Blättern ausgelegt flussabwärts transportiert wird. Und immer mal wieder ein Fischerboot oder zwei, die Mayas angeln oder werfen kunstvoll ein Netz aus.

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Wurfnetz

Jede Flussbiegung bringt etwas Neues. Es könnte noch ewig so weiter gehen, aber nach gut zwei Stunden erreichen wir den „Golfete“, der Fluss breitet sich aus in einem kleinen Binnensee mit Inselchen darin. Hier werfen wir für eine kurze Mittagspause den Anker ins Wasser.

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Unsere elektronischen Karten sind nicht mehr so genau, darum muss Andreas auf den Mast steigen, um den weiteren Flussverlauf zu finden. Weiter flussaufwärts mehren sich die Zeichen der Zivilisation, Häuser, überdachte Pavillons für Motorboote, vereinzelte Segelboote liegen am Ufer fest und dann kommt schon die große Brücke in Sicht. Davor und dahinter liegen links und rechts viele Marinas. Wir ankern in einer Ecke und mit dem Dinghi auf Erkundungstour. Die Monkey-Bay-Marina war eine Empfehlung, und sie gefällt uns auch am besten. Jetzt bläst aber die tägliche Nachmittagsbrise und so warten wir lieber die Windstille am nächsten Morgen ab, um Muktuk an den Steg zu legen, immerhin müssen wir rückwärts reinfahren, was kein einfaches Manöver ist.

 

Menschen in Kuba – Begegnungen

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Havanna Vieja

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Havanna, Vedado

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Havanna, Vedado

Es gibt so viel zu erzählen über das Land an dessen Südküste wir acht Wochen lang unterwegs waren, dazu etliche Tage mit dem Bus an Land. Der Bericht darüber würde einen halben Reiseführer füllen und davon gibt es inzwischen genügend und sicher auch viele Infos im Internet. Darum, zum Abschluss unserer Zeit ein paar persönliche Eindrücke.

In Santiago de Cuba, ganz im Osten der Insel, bei einem kleinen Fest  als Dankeschön für die Rettungsaktion der Muktuk, als sie in der Bucht auf Wanderschaft ging: Die beiden jungen Marineros, die den Katamaran der Marina betreuen, haben viel Kontakt mit Seglern und dadurch nach und nach ihr Englisch verbessert. Sie würden sofort, wenn es möglich wäre, auswandern, um eine Weile im Ausland zu arbeiten, egal was. Sie ärgern sich, dass ihre Arbeit so gering bezahlt wird und sie davon nicht leben können, sie möchten das Internet nutzen, aber das ist nicht möglich, für private Haushalte nicht zugelassen… sie wollen reisen können, fragen uns aus nach den Ländern, die wir schon gesehen haben, wohin wir demnächst hin wollen, stellen Fragen zur Renovierung unseres Bootes, was es gekostet hat. Sie lachen hellauf und meinen, was sie für dieses Geld in Kuba alles hätten reparieren können. Selbst der anwesende Sicherheitsoffizier scheint sich nicht an ihren Reden zu stören, immerhin führen wir die Gespräche teilweise auch auf Spanisch.

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Fensterladen in Havanna

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Plattenbau unterwegs

Diese Offenheit erleben wir in den nächsten Tagen noch oft: in Camagüey im Artex-Laden des staatlichen Kunsthandwerksverbandes, wo es die schönsten Che T-Shirts gibt, komme ich mit den beiden Verkäuferinnen ins Gespräch. Wie so oft fragen sie erst nach, woher wir kommen und wieso wir als Deutsche so gut Spanisch sprechen, und so ergeben sich schnell weitere Gesprächsthemen. Auch sie sagen spontan, wie gerne sie reisen möchten und wie schwer das Leben hier sei. Wenn ich daraufhin antworte, dass ich zuversichtlich bin und hoffe, dass die bisherigen ersten Schritte in Richtung Privatisierung, einen Wandel zeigen, der „poco a poco“ nicht mehr zurückzudrehen sei, schauen sie mich sehr skeptisch an. Zu lange schon warten sie, Jahre um Jahre…

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Bicitaxis in Camagüey

In der Warteschlange vor der Wechselstube kommen wir mit einem älteren Herrn ins Gespräch, der vier Jahre in Erfurt gearbeitet hat, noch zu DDR-Zeiten. Er fragt uns nach einer Weile, was denn ein Flug nach Deutschland kosten würde, schluckt, als er die Summe von 800,00 EUR hört – er hatte mit einem Viertel gerechnet – und erzählt, dass er einen Sohn in Deutschland habe, den er gerne einmal besuchen würde.

In Santiago fahren wir mit dem Taxi in die Stadt, wollen für zwei Wochen frisches Obst und Gemüse vom Markt kaufen. Der Taxifahrer erwähnt, dass er in den nächsten Tagen seine Frau aus Venezuela zurück erwartet, sie hat dort zwei Jahre lang als Krankenschwester gearbeitet. Seine Eltern halfen ihm, den 12 Jahre alten Sohn mit zu versorgen. Eigentlich hätte sie schon da sein sollen, aber sie musste erst nach und nach die vielen Pakete losschicken, mit all den Haushaltswaren und sonstigen lebensnotwendigen Dingen, die sie in Venezuela erstanden hat und die es in Kuba nicht gibt.

Als wir mit den Einkäufen zu ihm zurück kommen, stellt er uns einen jungen Mann vor, der uns in fließendem Deutsch mit leicht sächsischem Akzent begrüßt. Er ist Sohn einer Deutschen und eines Kubaners, noch vor der Wende in Kuba geboren, als Kleinkind mit den Eltern nach Merseburg gezogen und dort aufgewachsen. Nun ist er zurück gekommen, vertieft seit 9 Monaten seine Spanischkenntnisse und möchte hier bleiben, als Biochemiker, Techniker arbeiten. In Kuba sei das Leben so viel ruhiger, der Staat mische sich viel weniger ein als in Deutschland (sic!), erklärt er uns. Und dann gibt er unumwunden zu, dass er zwar mit einem guten finanziellen Polster hergekommen sei, sich aber genauso wie alle anderen an dem Schwarzhandel beteilige, der das Überleben überhaupt erst möglich mache. So z.B. wohnt er in bzw. neben einer Rumfabrik, wird von dort mit günstigen Rumflaschen versorgt, die er gewinnbringend weiter verkaufen kann.

Schnell lernen auch wir, dass wir ein bisschen herumfragen müssen, um beispielsweise Eier und Butter zu bekommen, denn in den Kaufhäusern der Stadt wurde ich nur milde belächelt, als ich danach fragte. Die Kellnerin im Restaurant oberhalb der Marina, oder die Köchin im Hotel nebenan, sie alle verdienen sich ein paar CUCs dazu, in dem sie uns einen Tag später eine Lage Eier bringen, ein Pfund Butter in der Tüte.

Zwei junge Männer am Flughafen in Havanna, sie haben ein privates Taxi, einen hübsch hergerichteten Oldtimer aus den USA, 50er Jahre – wir holen mit ihnen unseren nächsten Gast ab. Ein Flugzeug steigt in den Nachthimmel über unsere Köpfe hinweg auf, sie schauen beide sehnsüchtig hinterher: „Einmal möchte ich auch darin sitzen“, sagt der eine.

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Mangroven

An der Südküste der Insel ziehen wir von einer einsamen Ankerbucht zur nächsten – vor einem kleinen Dorf muss dann der örtliche Grenzsoldat seine Pflicht erfüllen und unseren „despacho“, das Reisedokument, abstempeln. Er wird von einem Fischer im Bötchen zu uns gerudert, beide sitzen in der Messe und auch sie fragen nach den Ländern, wo wir schon waren und wohin wir noch segeln möchten. Da erklärt der Grenzsoldat freimütig, dass er auch sehr gerne reisen wolle, aber nicht dürfe, könne. Und fragt uns im weiteren Gespräch, ob wir denn ein paar Fische als Geschenk haben wollten –s ehr gerne, natürlich. Dafür gibt es eine Tüte voller Geschenke im Tausch für seine Kinder und jene des Fischers.

Ein paar Tage später ankern wir neben einer kleinen Flotte von Krabbenfischern, die sich von ihren nächtlichen Ausfahrten tagsüber dort ausruhen. Versorgungsboote kommen alle paar Tage, holen ihre Kisten mit Krabben ab. Wir fahren zu ihnen rüber. Einer aus der Mannschaft erzählt uns, dass er vor etlichen Jahren zu einer zweimonatigen Schulung in Galicien war, just auf der Isla de Arousa, wo wir ein Jahr lang an der Muktuk herum gewerkelt haben. Es hat ihm sehr gut gefallen dort, er zählt aus dem Stegreif alle Ortschaften der Ecke auf, die er damals besucht hat. Wir ziehen ab mit einem Eimer voller frischer Krabben plus zwei Langusten, bringen der Besatzung einen Schnaps aus Galicien und noch ein paar Kleinigkeiten als Gegengabe.

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Cienfuegos

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Einfahrt in die Bucht von Cienfuegos

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Markt in Cienfuegos

In Cienfuegos in der Nähe der Marina laufen wir in einer Seitenstraße an einem Garten vorbei, am Zaun ein Schild, mit Obst und Gemüse zum Verkauf, darunter ein Plakat mit der Castro-Familie anlässlich eines Jubiläums. Wir rufen, der Besitzer kommt und lässt uns rein, zeigt uns stolz sein Reich: Beete mit Minze, Tomaten, kleinen roten süßen Paprika, Salate, Schnittlauch. Dazwischen schattenspendende Bäume, Zitronen, Orangen, Avocados, zwei große Mangobäume, die reifen Früchte liegen auf dem Boden, hinten in der Ecke ist ein Hühnerstall. Wir bekommen Tüten in die Hand gedrückt und dürfen selber ernten, derweil der Gärtner auf unsere Fragen hin allerlei erzählt. Er verkauft nur an Privatleute, für sein Gemüse würde er auf dem Markt mit den staatlich festgelegten Preisen nicht genug einnehmen, um zu überleben. Und seine Sachen sind so viel besser, das können wir bestätigen. Es ist eine Freude, ihm zuzuhören, wie er mit Begeisterung und Liebe von seinem Garten spricht. Eine kleine Oase hat er da geschaffen. Bei unserem zweiten Besuch, wir brauchen wieder Proviant für die nächsten einsamen Ankerbuchten, sind wir schon gute „amigos“, werden von ihm und seiner Frau mit Küsschen begrüßt, er zeigt uns seine Garage, in der er ein provisorisches Lager aufgebaut hat, einen Kühlschrank voller Limettensaft, und wir bekommen  zum Abschied ein Plakat mit der Castro-Familie geschenkt. Anschließend fährt er uns das kurze Stück zur Marina zurück in seinem schönen alten Auto, 10.000 CUC hat es ihn gekostet, noch mit Originalmotor.

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Leuchtturm Cayo Guano de Este

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Mangroven
Auf er Isla de Juventud treffen wir noch freundlichere und hilfsbereitere Menschen, so viele fröhliche und entspannte Gesichter sehen wir auf der Busfahrt zur Inselhauptstadt, wie sie einander begrüßen, miteinander umgehen. Auch wir werden oft angesprochen, werden gefragt, ob wir Hilfe bräuchten, bekommen bereitwillig und ausführlich Antwort auf unsere Fragen.

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Privater Markt auf der Isla de Juventud

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„Jeder Kubaner muss schiessen können und er muss gut schiessen können (Fidel)“

Im Hotel neben der Marina geht es ruhig zu, abgesehen von sporadischen Tauchurlaubern ist dort nicht viel los, dabei ist die Anlage ganz hübsch, mit Swimmingpool, ein paar Schritte weiter der Strand. In dem Laden des Hotels arbeitet eine Dame, die recht gut Deutsch spricht – und auch sie fragt sofort offen und herzlich, womit sie uns helfen kann. Fahrten zum Flughafen, um Besuch abzuholen, Obst und ein gutes Huhn aus ihrem Dorf organisiert sie spontan für uns. Und nach und nach erzählt auch sie, von ihren beiden Söhnen, der eine ist Ingenieur und arbeitet in Havanna, der andere studiert Medizin. Sie hofft auf ein Visum für Deutschland, will im Sommer dort auf Einladung einer Freundin drei Monate lang bleiben und unbedingt arbeiten. Mit dem Geld möchte sie ein Haus in Havanna kaufen, vielleicht eine Pension, ein Restaurant eröffnen, ihr Mann kann gut kochen. Sie sorgen sich um die Zukunft ihrer Söhne, wollen für die beiden etwas in der Hauptstadt aufbauen. Das beschauliche Landleben auf der Insel mit der Hektik der Großstadt zu tauschen, ist nicht einfach, aber nachdem vor einem Jahr die Löhne gekürzt wurden und sie nurmehr umgerechnet 11 CUC pro Monat verdient: „Was sollen wir machen, wir haben unser Leben schon hinter uns, aber unsere Söhne…“ Wir hoffen sehr, sie im Sommer in Deutschland wieder zu sehen.

Letzte Station, bevor wir Kuba verlassen, ist eine kleine Marina an der westlichsten Spitze der Insel, am Cabo San Antonio. Hier sind die Offiziellen überraschend entspannt, die Papiere, der Arztbesuch können an Land erledigt werden, nur der Hundeführer kommt mit seinem haarigen Pelzbündel an Bord. Er lässt seine Hündin laufen, schnüffeln, und fragt derweil interessiert nach den schönen Holzarbeiten im Boot, nach den aufgehängten Fotos. Nachdem die Hündin ausgiebig unsere Zehen abgeschleckt, eine deutsche Zeitung angeknabbert hat, schläft sie friedlich ein, und wir unterhalten uns immer noch mit dem freundlichen Gast. Er hat schon immer auf diesem einsamen Außenposten gearbeitet, 20 Tage in der Grenzstation, eine Woche daheim, mit drei Kindern ist das kein einfaches Leben. Aber in wenigen Jahren, mit Mitte Vierzig, kann er offiziell aus dem Militär ausscheiden und sich eine andere Beschäftigung suchen. Die desolate wirtschaftliche Lage Kubas schiebt er voll und ganz auf das US-Embargo und erzählt von den schweren Jahren der sogenannten Sonderperiode nach dem Zusammenbruch des Ostblocks, als Kuba schlagartig von den Subventionen, dem Austausch der Arbeitskräfte und vor allem den günstigen Öllieferungen abgeschnitten wurde. Damals wurde buchstäblich der Gürtel enger geschnallt, die Lebensmittel rationiert, auf Pferde und Ochsenkarren umgestellt. „Aber wir haben überlebt“, sagt er stolz und streckt seine Arme hoch, die Hände zu Fäusten geballt. Kuba müsse seine Zukunft im Ausbau des Tourismus suchen, erklärt er dann noch, denn Kaffe, Rum und Zigarren, die früheren Exportschlager geben auf dem Weltmarkt nicht mehr viel her.

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Cayo San Felipe

Es sind einzelne Begegnungen mit Menschen, eine sehr subjektive Auswahl, und es sind Menschen, die überwiegend mit Touristen, Reisenden wie uns, zu tun haben. Wir hatten leider keine Zeit, um diese Bekanntschaften zu vertiefen und wir hatten auch kaum Gelegenheit, Menschen aus anderen Lebens- und Arbeitsbereichen des Landes kennen zu lernen. Wir sind trotzdem sehr gespannt darauf, wie es im Lande weiter geht, wie es in ein paar Jahren aussehen wird.

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Karibik in Kuba