Loreto

„From the sea the town was buried in a grove of palms and greenery. We dropped anchor and searched the shore with our glasses. A line of canoes lay on the beach and a group of men sat on the sand by the canoes and watched us; comfortable, lazy-looking men in white clothes. When our anchor dropped they got up and made for the town. Of course, they had to find their uniforms, and since Loreto was not very often visited and since the Governor had not recently been there, this may not have been so easy. There may have been some scurrying of errand-bound children from house to house, looking for tunics or belts or borrowing clean shirts. Señor the official had to shave and scent himself and dress. It all takes time, and the boat in the harbor will wait. It didn’t look like much of a boat anyway, but at least it was a boat.
One fine thing about Mexican officials is that they greet a fishing boat with the same serious ceremony they would afford the Queen Mary, and the Queen Mary would have to wait just as long. This made us feel very good and not rebellious about the port fees – absent in this case! We came to them and they made us feel, not like stodgy people in a purse-seiner but like ambassadors from Ultra-Marina bringing letters of greeting out of the distances.”
(John Steinbeck: The Log from the Sea of Cortez. Penguin books, 1986. Seite 204f)

„Von See aus gesehen lag die Stadt inmitten eines Palmenhains im Grün verborgen. Wir gingen vor Anker und suchten das Ufer mit dem Fernglas ab. Eine Reihe Kanus lag am Strand, neben ihnen saß eine Gruppe von Männern im Sand und sah uns zu, gemütliche, träge aussehende, weiß gekleidete Männer. Als unser Anker fiel, erhoben sie sich und machten sich auf den Weg in die Stadt. Sie mussten natürlich ihre Uniformen finden, und weil Loreto nicht oft besucht wurde, und auch der Gouverneur nicht erst kürzlich hier war, war das vielleicht keine ganz einfache Sache. Vielleicht mussten Kinder von Haus zu Haus auf der Suche nach Rock und Gürtel losgeschickt werden, oder ausschwärmen, um saubere Hemden auszuborgen. Der Señor vom Amt musste sich rasieren, parfümieren und einkleiden. Das alles braucht seine Zeit, und das Boot im Hafen wird warten. Das Boot sah zwar ohnehin nach nichts Besonderem aus, aber immerhin war es ein Boot.
Hierin sind mexikanischer Amtspersonen mustergültig: sie begrüßen ein Fischerboot mit der gleichen ernsthaften Förmlichkeit, die sie auch der Queen Mary angedeihen lassen würden, und die Queen Mary würde ebenso lange warten müssen. Das gab uns ein gutes Gefühl, und so regten wir uns auch nicht über die Hafengebühren auf – die es in diesem Fall nicht gab! Wir kamen zu ihnen, und fühlten uns nicht wie langweilige Seeleute auf einem Fischerboot behandelt, sondern wie Botschafter aus Ultra-Marina, die Grußbotschaften aus der Ferne brachten.“ (Übersetzt ins Deutsche von Andreas)

Gut 80 Jahre später: die Palmen sind immer noch da, der Sandstrand ebenfalls. Wahrscheinlich neu ist ein kleiner durch einen Wellenbrecher geschützter Hafen für Ausflugs- und Fischerboote. Wir passen da nicht rein und ankern bei sehr ruhiger See direkt davor. Offiziell anmelden muss man sich heutzutage auch nicht mehr, dachten wir. Aber nachdem wir unser Dinghi an einem schmalen Steg im Hafen angebunden haben, bedeutet uns der Wachmann am Tor, wir müssten erst zum Hafenbüro gehen. Dort erklärt uns ein Angestellter, dass wir eine Gebühr zu entrichten hätten und zwar 1. für das Beiboot, 2. für uns beide und 3. für die beiden Müllbeutel, die wir in die große Tonne am Steg gestopft haben: alles zusammen gerechnet bezahlen wir umgerechnet 20 EUR. Die Gebühr für den Stadtbesuch und das Bewachen des Beibootes sei jeden Tag aufs Neue zu entrichten, merkt der Hafenmeister fast schon entschuldigend an, allerdings habe er uns für den heutigen Tag die Gebühr nur für eine Person berechnet.
Wir schütteln etwas verwundert den Kopf über diese neuen Regelungen und die flexible Umsetzung und machen uns auf den Weg. Auch dieses Mal verbinden wir das Pflichtprogramm (Wäscherei und Supermärkte) mit dem Vergnügen, eine neue Stadt zu erkunden.

An dieser Stelle ein kleiner historischer Exkurs: Loreto ist die älteste sogenannte „Mission“ auf der mexikanischen Halbinsel Baja California. Von hier aus begannen die Jesuiten im Jahr 1697  die einheimische Bevölkerung zum Christentum zu bekehren, in dem sie weitere Missionen auf der Baja California gründeten. Bereits 1535, also mehr als 150 Jahre früher, hatte Hernán Cortéz (Wikipedia), vergeblich versucht, hier einen Stützpunkt zu bauen. Wer mehr über die Geschichte der Missionen lesen möchte: Spanische Missionen in Kalifornien (Wikipedia)

Das heutige Loreto mit seinen rund 20.000 Einwohnern setzt auf Individualtourismus ohne Hotelburgen und Kreuzfahrtschiffe. Touren zu den prähistorischen Höhlenmalereien (mit Jagdszenen) in den Bergen werden ebenso angeboten wie Kajak-Touren oder Tagesausflüge in umgebauten Fischerbooten zu einsamen Stränden an der Küste oder bei den angrenzenden Inseln.


Ein altes Hotel mit einem Innenhof im Kolonialstil


Pension mit Garten

Der zentrale Platz von Loreto ist sehr gemütlich und einladend gestaltet mit Bänken, einem Pavillon und Schatten spendenden Palmen, so freundlich und offen wie sich auch die ganze Stadt präsentiert.

Während wir durch die Straßen laufen, können wir immer mal wieder einen Blick in liebevoll gepflegte grüne Vorgärten werfen. Manche Häuser haben als Aufbau ein freistehendes mit Palmwedeln bedecktes Dach. In den Sommermonaten kann es hier sehr heiß werden und da ist eine kühlende Brise abends auf dem Dach sicher willkommen.

In der Fußgängerzone, die von der Uferpromenade abgeht, verdichtet sich die Anzahl der Restaurants und Cafés. Dazwischen gibt es Andenkenläden, die neben viel unnützem Kram doch auch schönes Kunsthandwerk aus vielen Teilen Mexikos anbieten. Ein Laden hat es mir ganz besonders angetan, dort verbringe ich einen halben Nachmittag damit, mir die Webarbeiten (Tischläufer, Tücher und Teppiche) anzusehen, alle aus der Provinz Oaxaca, die für ihre farbenfrohen Arbeiten bekannt ist.


In der Fußgängerzone wird groß und deutlich auf die Maskenpflicht hingewiesen


Ein Impfangebot für Kinder unter 8 Jahren, am schwarzen Brett eines Supermarktes gesehen

Nach zwei Tagen Flaute frischt der Wind auf, der Ankerplatz vor der Stadt wird zu schaukelig. In der Früh fahren wir mit dem Dinghi noch schnell zum Arroyo, dem trockenen Flussbett, am südlichen Rand der Stadt. Hier wird jeden Sonntagvormittag auf einem Platz oberhalb des Arroyo ein kleiner Markt aufgebaut. Wir füllen unsere Rucksäcke noch einmal mit viel frischem Obst und Gemüse und kaufen von diesem liebevoll dekorierten Stand noch Ziegenkäse und Fleisch. Jetzt sind wir wieder für eine Weile autark und können in Ruhe die Inseln des Nationalparks um Loreto herum erkunden.