Hilfsruder Autopsie

Es ist schon viele Monate her. Wir waren dabei, eine Bucht in der Nähe von La Paz zu verlassen, ich legte hart Ruder, um eine enge Linkskurve zu fahren, das Boot kam aber kaum herum. Bis ich das merkte, waren wir schon auf Grund gelaufen, denn so viel Platz war in der Bucht eben nicht. Auslöser des Problems war das Hilfsruder der Windsteueranlage. Muktuk hat ja zwei Ruderblätter, aber nur einen Propeller in der Mitte, hinter dem sich also nicht, wie sonst üblich, ein Ruderblatt befindet. Ohne Ruderblatt, das direkt vom Schraubenwasser angeströmt wird, kann man aber nicht auf engem Raum manövrieren, da bei langsamer Fahrt kaum Ruderwirkung vorhanden ist. Die Lösung auf der Muktuk: das Hilfsruder der Windsteueranlage ist, zumindest wenn wir unter Maschine fahren, über ein Gestänge mit den Hauptruderblättern verbunden, so dass wir nun doch ein – wenn auch kleineres – Ruderblatt haben, das vom Propeller angeströmt wird.

Diese Konstruktion war in der Bucht ausgefallen. Die Ursache war schnell gefunden: der Schaft des Hilfsruders war nicht mehr mit dem Ruderblatt verbunden. Zwar drehte sich über das verbindende Gestänge der Schaft des Hilfsruders, aber eben nicht das Ruderblatt selbst.

In der nächsten Bucht haben wir das Hilfsruder ausgebaut, und den Schaft aus dem Ruderblatt herausgezogen. Er war knapp innerhalb des Ruderblatts gebrochen. Zum Glück war noch ein innerer Stahlkern übrig, der noch fest mit dem Ruderblatt verbunden war. Durch Verschrauben des gebrochenen Edelstahl-Rohrs des äußeren Schaftes mit dem inneren Stahlkern konnten wir das Ganze provisorisch reparieren und wieder einbauen. Aus der nächsten Bucht kamen wir also wieder ohne Grundberührung heraus.

Aber beim nächsten Werftaufenthalt stand eine ordentliche Reparatur des Hilfsruders an. Ich kontaktierte Peter Förthmann, den Hersteller unserer Windsteueranlage, und er gab mir ausführliche Ratschläge und eine detaillierte Anleitung, wie die Reparatur vonstattengehen sollte.

Als erstes befreite ich das Ruderblatt von den über Jahrzehnte aufgebauten Schichten Antifouling. Dann kam der gruselige Schritt, das Ruderblatt rundherum mit der Flex aufzusägen, bis ich die beiden Hälften auseinanderklappen, die Reste des alten PU-Schaums entfernen und den gebrochenen Schaft herausnehmen konnte. Der war nicht nur an einer Stelle gebrochen, sondern hatte auch noch an einer weiteren Stelle bereits Haarrisse. Zudem war er etwas verbogen. Der Schaft ging zum Schweißer, der alles wieder hergerichtet hat.


Für die weiteren Schritte brauchte ich einiges an Material, das alles in Puerto Peñasco nicht zu bekommen war. Erst nach einer eintägigen Einkaufsreise über die US-Grenze nach Phoenix, Arizona, konnte das Projekt fortgesetzt werden. Der Schaft wurde mit Epoxy-Spachtel erst in eine Halbschale des Ruderblatts eingeklebt. Dann wurde die andere Hälfte aufgelegt und ebenfalls mit Epoxy-Spachtel verbunden. Entlang der aufgesägten Trennung wurde das Ruderblatt mit in Epoxidharz getränkten Glasfasermatten verbunden und verstärkt. Nach Ab- und Glattschleifen kamen noch zwei Schichten Gelcoat drauf, um eine glatte Oberfläche und einen zusätzlichen Schutz zu erhalten.



Nun stand die nächste heikle Operation an: der Hohlraum im Inneren musste mit geschlossenporigem PU-Schaum wieder ausgeschäumt werden, damit sich das Ruderblatt im Betrieb nicht mit Wasser füllt. Hierzu habe ich das Ruderblatt senkrecht gestellt, mit etlichen Schraubzwingen und Keilen in Form gehalten, oben ein Loch gebohrt und mit einem Trichter die angerührte PU-Mischung eingefüllt. Das muss sehr schnell gehen, denn 60 Sekunden nach dem Zusammenschütten der beiden Komponenten fängt das Zeug an zu schäumen. Das sind also 15 Sekunden zum Vermischen und 45 Sekunden zum Einfüllen. Und man darf nicht zu viel nehmen, sonst zerbirst das Ruderblatt unter dem Druck des sich aufblähenden Schaums. Ich habe das in drei Etappen gemacht, bis nach der letzten Runde gerade mal ein kleines bisschen Schaum aus der Einfüll-Öffnung herauskam.

Nun musste nur noch das Loch verschlossen, das Schraubenloch von der provisorischen Erstreparatur gefüllt und das Ruderblatt mit drei Lagen Antifouling gestrichen werden – fertig zum Einbau.

Ich war jedenfalls ganz schön froh, als das Ding wieder an einem Stück und an Ort und Stelle war.