Mangroven und Kakteen

26. – 30. Dezember 2021

Isla San José, Lagune mit Mangroven

Endlich lässt der Nordwind nach, eine eher windstille Phase ist vorhergesagt und die brauchen wir, um in mehreren Tagesetappen weiter nach Norden zu ziehen. Zuerst tuckern wir mit der Muktuk zur Isla San José. Hier ist es ganz ruhig, das Wasser spiegelglatt und der Ankerplatz bietet eine ungewohnt weite und offene Sicht nach allen Seiten: Vor uns die Lagune, der grüne Gürtel der Mangrovenwälder der Isla San José.  Westlich von uns weit in der Ferne die Küstenlinie der Halbinsel Baja California mit dem hoch aufsteigenden Gebirge der Sierra de la Gigante, in der entgegengesetzten Richtung verliert sich der Horizont in einem unendlichen Blau.

Am nächsten Morgen fahren wir mit dem Beiboot zur Lagune. Wir unterhalten uns mit zwei Fischern, die gerade eben dort angekommen sind. Sie haben bereits ihre Neoprenanzüge angezogen und wollen Oktopusse jagen. Noch am späten Nachmittag sehen wir sie den äußeren langen Küstenabschnitt langsam abschwimmen, wir sind beeindruckt von ihrer Ausdauer.

Die Lagune wird teilweise durch einen schmalen langen Streifen Land vom Meer abgetrennt. Das Geröll auf diesem Streifen sieht fast so aus wie von Menschen aufgeschüttete Wellenbrecher. An einer Stelle ist diese Mauer aus Steinen unterbrochen, hier befindet sich der südliche Zugang zur Lagune. Die Wassertiefe beträgt hier gerade mal 20 cm, also steigen wir aus dem Dinghi aus und ziehen es hinter uns her, bis wir wieder in tieferes Wasser gelangen. Zwei Pelikane beobachten uns aus sicherer Entfernung.

Drinnen in der Lagune ist es gespenstisch still. Kein Windhauch, klares Wasser, aber kein Fisch zu sehen, ein paar Reiher sitzen in den dichten Mangrovensträuchern und ruhen sich aus. Wir tuckern langsam den großen Kanal entlang. An manchen Stellen öffnen sich kleinere Seitenkanäle. In einen davon fahren wir hinein und versuchen, uns alle Windungen zu merken, um uns nicht zu verirren. Aber unsere Sorge ist unbegründet, der Kanal ist eine Sackgasse und wir finden wieder zurück zum Hauptweg.

Laut Revierführer sollten hier viele Seeschildkröten und Fische zu sehen sein, aber außer den Unterwasserpflanzen ist keine Bewegung im Wasser. Endlich entdecken wir einen langen dünnen Hornhecht, der ganz ruhig im Wasser schwimmt und sich von uns überhaupt nicht stören lässt. Später, am Strand, finden wir ein Skelett, mit dem langgezogenen dünnen Kopf sieht es so aus, als ob es von einem Fisch der gleichen Art stammen könnte.

Das Fischerdorf San Evaristo

Die nächsten Tage geht es im Zickzack zwischen der Insel San José und dem Festland hin und her, es sind jeweils nur kurze Strecken. Gegenüber der Insel San José, am Festland der Baja California, befindet sich in der Bucht San Evaristo ein kleines Fischerdorf. Gemächlich tuckern wir hinüber und verbringen die Nacht in der nördlichen Ecke der Bucht, weitab vom Dorf.

„Nights at anchor in the Gulf are quiet and strange. The water is smooth, almost solid, and the dew is so heavy that the decks are soaked. The little waves rasp on the shell beaches with a hissing sound, and all about in the darkness the fishes jump and splash. Sometimes a great ray leaps clear and falls back on the water with a sharp report. And again, a school of tiny fishes whisper along the surface, each one, as it breaks clear, making the tiniest whisking sound. And there is no feeling, no smell, no vibration of people in the Gulf. Whatever it is that makes one aware that men are about is not there. Thus, in spite of the noises of waves and fishes, one has a feeling of deadness and of quietness.” (John Steinbeck: The Log from the Sea of Cortez. Penguin books, 1986. Seite 140)

„Die Nächte vor Anker sind still und seltsam im Golf. Das Wasser ist spiegelglatt, fast wie ein Festkörper, und der schwere Tau tränkt das Deck. Die kleinen Wellen reiben sich zischend an den Muscheln des Strandes, und überall in der Dunkelheit springen und plätschern die Fische. Manchmal schnellt ein großer Mantarochen in die Luft und fällt mit scharfem Klatschen ins Wasser zurück. Dann wieder flüstert ein Schwarm winziger Fische an der Oberfläche entlang, jeder einzelne mit einem kaum hörbaren wischenden Geräusch beim Durchbrechen des Wasserspiegels. Keine Empfindung, kein Duft, kein Beben deutet auf menschliche Existenz im Golf hin. Was es auch sein mag, das einen die Anwesenheit von Personen spüren lässt – es fehlt hier. Und so herrscht, trotz aller Geräusche von Wellen und Fischen, ein Gefühl der Leblosigkeit und Stille. (Übersetzung ins Deutsche von Andreas)

Auch morgens, während die Sonne langsam aufgeht und die Felsen orange färbt, hüpfen die Fische im Wasser um uns herum, während ich mit meiner ersten Tasse Tee an Deck sitze und jeden einzelnen Augenblick dieser zauberhaften Stunde genieße.

Das Fischerdorf hat sich eine schöne neue Entsalzungsanlage gegönnt. Der Betreuer der Anlage erklärt uns, dass die alte Anlage bereits in die Jahre gekommen war und der Diesel, mit dem sie lief, immer teurer wurde. Die neue Anlage dagegen wird mit 34 großen Solar-Paneelen betrieben und kann bis zu 2.000 Liter Trinkwasser pro Stunde produzieren. Aber sie werde nie so hochtourig gefahren, so halte sie länger, meint er. 1.000 Liter pro Stunde sind ja auch beeindruckend viel! Uns scheint es eine auf lange Sicht sehr kluge Investition zu sein, denn in dieser Gegend regnet es kaum und in den letzten Jahren immer weniger, die ersten Anzeichen des Klimawandels machen sich wohl schon bemerkbar. Wir füllen unsere Kanister mit Trinkwasser, und erhalten es zu einem ungemein günstigen Preis von einem mexikanischen Peso pro Liter. (Der Umrechnungskurs ist momentan 25 Pesos für einen Euro).

Das Dorf besteht im Wesentlichen aus einer losen Reihe von Häusern und Hütten am Ufer. Wir laufen am Strand entlang, als gerade zwei Fischer mit ihrem Boot anlanden. Da wir in den letzten Tagen unterwegs leider nichts gefangen haben, kaufen wir von ihnen einen „Mexikanischen Sierra“. Nun, mit einer Plastiktüte in der Hand, die nach frischem Fisch riecht, wird einer der herum streunenden Hunde auf uns aufmerksam und will sich unbedingt mit uns anfreunden. Er folgt uns bis zum Leuchtturm an der südlichen Seite der Bucht und zum Café, wo wir für eine kleine Gebühr einen Internetzugang für unsere Mobiltelefone erhalten und Wetter und die neuesten Nachrichten herunter laden. Unser neuer Freund will uns gar nicht gehen lassen, er begleitet uns auf dem Rückweg bis zum Dinghi und schwimmt noch ein ganzes Stück ausdauernd im Meer hinter uns her.

Kaktuswald auf der Isla San José

Wir gehen Anker auf und tuckern mit der Muktuk zurück zur Isla San José. Über Nacht ankern wir vor dem dichten Kaktuswald, der direkt hinter der Lagune beginnt und fast die ganze Westseite der Insel einnimmt. Dieser Wald sieht schon vom Boot aus beeindruckend aus. Am nächsten Tag wollen wir ihn uns näher anschauen. Direkt am Strand stehen ein paar niedrig gewachsene Sträucher und dahinter bauen sich die riesigen Kakteen auf. Zwischen den Kakteen wächst noch mehr Gestrüpp und es ist bald kein Durchkommen mehr möglich. Hier und da sehen wir einen schmalen Pfad und eine Lücke im Gebüsch, offensichtlich von den Ziegen ausgetretene Wege, aber so klein und gelenkig wie sie sind wir nicht. Ich habe mir nicht vorstellen können, wie riesig diese Kaktusbäume werden können und wie unterschiedlich, jedes Exemplar mit einer ganz eigenen Art der Verzweigung.

Nachdem wir gefühlt jeden Baum und jeden Strauch am Rande des Kaktuswaldes bewundert und fotografiert haben, spazieren wir noch eine Weile am Strand entlang bis zu den improvisierten Hütten, die von Fischern für die eine oder andere Übernachtung genutzt werden. Auch an diesem Strand finden wir wieder eine Menge Muscheln und Steine und viele verschiedene Knochen.


Kopf eines Pelikans?


Brustknochen eines Pelikans?


Knochen vom Panzer einer Schildkröte, Unterseite


Knochen vom Panzer einer Schildkröte, Oberseite