Am Rand

Nach zwei Monaten auf den Marquesas fiel uns der Abschied schwer, wir hätten locker noch einmal so lang bleiben können. Aber wenn wir dieses Jahr noch in Neuseeland ankommen wollen, müssen wir langsam weiter. 550 Seemeilen sind es zu den Tuamotus, vier Tage haben wir gebraucht. Von Kua und Teiki hatten wir eine Dinghyladung voll Obst bekommen, das hätte bis Neuseeland gereicht.

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Eigentlich keine lange Strecke, eigentlich kein schweres Wetter, aber anstrengend war es trotzdem. Das lag zum einen an zwei Fronten, die über uns durchgegangen sind und 7er Böen, wechselnde Windrichtungen und Regengüsse mitbrachten, zum anderen waren wir beide von einer Art Grippe geplagt, so dass wir einfach nicht fit waren und die Überfahrt nicht so recht genießen konnten.

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Jetzt sind wir aber heil angekommen. Die Tuamotus bestehen aus 77 Atollen, wir haben uns Tahanea ausgesucht, weil dort die Einfahrt relativ leicht ist. Tahanea hat etwa die Fläche des Bodensees, und wie jedes Atoll besteht es im Wesentlichen nur aus Rand. Dieser Rand ist aus Korallen, schaut im Schnitt ein bis zwei Meter aus dem Wasser. An einigen Stellen hat sich Sand angelagert, so dass ein paar Palmen darauf wachsen können. Das flache Wasser vor diesen „Motos“ hat eine unverschämt türkisblaue Farbe, man könnte glatt meinen, man wäre in der Südsee.

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Tahanea ist unbewohnt, und als wir gestern ankamen, waren wir das einzige Boot in der Lagune. Stellt euch vor – der Bodensee ganz für euch alleine! Mittlerweile sind allerdings zwei weitere Boote angekommen. Wir müssen wohl mal ein ernstes Wörtchen mit unserem Reiseveranstalter reden.

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Wenn man Glück hat, gibt es im Rand der Atolle eine oder gar mehrere Lücken, durch die man mit dem Boot in die Lagune hineinfahren kann. Wann und wie man das kann, ist aber nicht so einfach. Da gibt es zum einen die Gezeiten. Auch wenn der Tidenhub hier sehr gering ist (etwa ein halber Meter), sorgt er doch für starke Strömungen in den Pässen, so dass man am besten bei Niedrigwasser, wenn der Gezeitenstrom kippt, ein- und ausfährt. Das kommt aber nur zweimal am Tag vor. Zum anderen braucht man eine hoch am Himmel stehende Sonne, und zwar im Rücken, so dass man im Wasser die Untiefen und Korallenblöcke erkennen kann. Diese „Augapfelnavigation“ ist hier unverzichtbar, denn die Atolle sind nicht oder nur unvollständig kartiert. Aber alles gleichzeitig, Stillwasser, Sonne und passender Sonnenstand… da muss man schon Glück haben.

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Es wird aber noch komplizierter. Wenn es draußen ordentlich Seegang hat (und wir hatten über Tage hinweg zwei Meter), rauschen die Wellen an vielen Stellen über den Rand des Atolls und füllen die Lagune mit Wasser. Weil sich im Inneren mangels Anlaufstrecke kein hoher Seegang aufbauen kann, kann das Wasser aber nicht auf dem selben Weg wieder hinaus, sondern nur durch die Pässe. Deshalb ist der bei Ebbe herauslaufende Strom dann sehr viel stärker (bis zu 15 Knoten) als der bei Flut einlaufende (maximal 5 Knoten). Oder der Flutstrom beginnt erst Stunden nach Niedrigwasser zu laufen. In extremen Wetterlagen läuft selbst bei Flut immer noch Wasser heraus, nur etwas langsamer als bei Ebbe.

Mit unserer lädierten Welle machen wir unter Maschine gerade mal zweieinhalb Knoten Fahrt (ohne Gegenwind), so dass wir nicht viel Spielraum für Gegenstrom haben. Gestern hatten wir aber Glück: wir haben den Pass zum Zeitpunkt des stärksten Flutstroms passiert, und in Kombination mit dem über den Rand schwappenden Wasser ergab sich gerade mal ein einwärts setzender Strom von zwei Knoten. Schwupps waren wir drin. Aber bis zuletzt war es spannend.

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