Gegenan

Sie hat zwar nur rund 660 Seemeilen, die Überfahrt von Roatan zu den San Blas Inseln, aber diese Meilen haben es in sich. Sagen wir mal so: diese Überfahrt hat unter den Kandidaten für unsere Lieblings-Überfahrt eher schlechte Chancen.

Das erste Problem sind die ersten knapp 200 Seemeilen, die gehen nämlich genau nach Osten. Und wo kommt der Wind zu dieser Jahreszeit verläßlich her? Richtig: genau aus Osten. Und statt der angesagten 10kn waren es auch noch gute 25kn, die uns gegenan bliesen, entsprechenden Seegang gab’s kostenlos dazu. Wir haben beides probiert: unter Maschine gegnan tuckern (sehr nervig) oder unter Segeln aufkreuzen. Bei 140 Grad effektivem Wendewinkel auch kein Vergnügen, pro gesegelter Meile macht man gerade mal eine Drittelmeile Richtung Ziel gut. Der Cosinus lässt da nicht mit sich reden.

Nicht umsonst heisst es ja: Der Gentleman kreuzt nicht. Der Gentleman wartet auf besseren Wind. Aber Mitte Dezember auf Wind zu warten, der nicht aus Osten kommt, na ja… das kann schnell Ostern werden. Also war’s diesmal nichts mit Gentleman.

Kaum haben wir die Strecke gegenan hinter uns und können wieder unseren Kurs aufs Ziel anliegen, prompt kämpfen wir mit anderen Widrigkeiten. Birgit und ich haben uns beide eine Art grippalen Infekt eingefangen, sie mit Husten und Gliederschmerzen, ich mit Halsweh und Matschbirne. Beide versehen wir nur notdürftig gedopt unsere Wachen (Birgit mit Ibuprofen, ich mit Aspirin) und können die eigentlich schöne Segelei gar nicht so recht geniessen.

Birgit ist sich sicher, wer daran Schuld ist: der Jüngling aus dem Büro des Hafenmeisters in Roatan, dem die Nase lief und der sich seinen Rotz erst auf die Finger und dann abwechselnd an seiner Hose und an unseren Reisepässen abwischte. Der war vielleicht eine Gestalt: zum Ausfüllen eines Word-Formulars von acht Zeilen brauchte er sage und schreibe eine Stunde. Sorgfältig jedes Wort erwägend, tippte er es nach fünf Minuten endlich ein, nur um es dann wieder wegzulöschen und nach weiteren fünf Minuten durch ein (anderes?) Wort zu ersetzen usw. usw. Am Ende kam sein Vorgesetzter noch mit ein paar Korrekturvorschlägen an (nochmal 15 Minuten Rotzwischen) und schliesslich hatten wir ein wunderbares Dokument in den Händen, dass die Ausreise von einem Herrn Andreas Manfred Deutsch nebst Crew bestätigt. Auf eine Verbesserung meines Namens habe ich dann doch lieber verzichtet, ich hoffe es wird auch so gelten. Wie sagt ein lieber Arbeitskollege so schön: Eignung für leichte Erdarbeiten unter Aufsicht.

POS 15°13’N 082°17’W

Noch knapp 400 Seemeilen bis San Blas. Noch sechs Tage bis Weihnachten. Drückt uns die Daumen.

ThreeLittleBirds