Präsidiale Karrieren

litfass
Antiplakat mit den Logos der Parteien: „Vor dem Verzehr dieser Produkte wird gewarnt“

Guatemala hat gewählt und ein Außenseiter hat das Rennen gewonnen… ein Komiker wird Präsident
Aber schön der Reihe nach: von den Demonstrationen, die seit April in der Hauptstadt jeden Samstag stattfinden, hatten wir schon berichtet. Die Vizepräsidentin war zurückgetreten, weil sie sich etliche Millionen Dollar an Steuergeldern in die Tasche gewirtschaftet hatte.
Die internationale Untersuchungskommission fand dann Ende Juli noch weitere Akteure: Minister, Angestellte im Staatsapparat und siehe da, sogar den amtierenden Präsidenten Otto Perez Molina, verschlüsselt immer als Nr. 1 bezeichnet. Sie alle hatten bei diesem System mitgemacht und sich ordentlich bereichert.
Der Präsident stritt alles ab, aber die Proteste mehrten sich, je mehr Dokumente in der Tagespresse veröffentlicht wurden, die seine Mittäterschaft belegten.
Nun kamen sogar in den Provinzstädten spontan Menschen zusammen, mit witzigen selbst gemalten Plakaten und fast alle schwenkten die guatemaltekische blau-weiß Fahne dazu.
Die Demonstrationen fanden ihren Höhepunkt in der zweiten Augusthälfte, drei Tage lang gab es hintereinander Straßensperren, und Protestmärsche in vielen Städten, der größte am 26. August in Guatemala City, mit über 230.000 Menschen. Die Universitäten riefen geschlossen zur Demo auf, sogar Konzerne, ausländische Firmen wie McDonalds, gaben ihren Angestellten dafür frei.
Es herrschte eine fröhliche Aufbruchstimmung im Lande, eine Entwicklung, die vor nicht allzu langer Zeit noch undenkbar gewesen wäre. Friedlich demonstrieren zu können war so lange nicht möglich und nun geht es, ohne Angst vor Militär und Polizei haben zu müssen.

Selbst als in Coban etliche LKWs voller Campesinos (Landarbeiter, Mayas), vor dem Rathaus randalierten und es stürmen wollten, gab es zwar erst einmal seitens der Polizei Schüsse, zwei Verwundete und helle Aufregung, aber am gleichen Nachmittag schon fanden sich auch hier Studenten und Campesinos zusammen, um laut trötend und Parolen rufend zu demonstrieren. Die Mannschaftswagen der Polizei standen weiterhin in den Seitenstraßen, aber hielten sich im Hintergrund.
Der Kongress beugte sich dem Druck der Strasse und setzte eine Kommission ein, die die Empfehlung ausgab, dem Präsidenten die Immunität abzuerkennen. Einen Tag später kamen die Abgeordneten zusammen und ohne Gegenstimmen folgten sie der Empfehlung der Kommission und kurz darauf wurde der Präsident dann in Haft genommen.
Allerdings fehlten die Abgeordneten der Lider-Partei bei der Abstimmung. Deren Kandidat, Baldizon, war überall im Lande auf Plakaten allgegenwärtig, hatte viel mehr Geld ausgegeben für den Wahlkampf als offiziell erlaubt und man sprach öffentlich von Stimmenkauf und Drogengeldern, die im Wahlkampf gewaschen wurden.

All dies überschattete die heiße Phase des Wahlkampfes, denn der Wahltermin für den 5. September stand schon fest: für das Präsidenten-Amt, die Abgeordneten des Kongresses, der Kreisbezirke und der örtlichen Bürgermeister. Und nicht zuletzt für die Abgeordneten des Panamerikanischen Kongresses.
Keine Zeit also, das Wahlgesetz zu ändern oder gar neue, von Korruption freie Parteien zu gründen. So sprachen denn vor allem in den Städten viele von Wahlboykott, denn den Kandidaten der überregionalen Parteien wollte niemand trauen, alles korrupte Gesellen, hieß es.
Und so kam es, dass die Werte des zuvor hoch gehandelten Baldizon kontinuierlich sanken, in den grossen Städten kaum noch jemand für ihn stimmte.

Von den 14 Kandidaten blieben für die Stichwahl im Oktober Sandra Torres und Jimmy Morales übrig. Sandra Torres von einem eher sozialdemokratisch geprägten Bündnis war in den Augen viele Wähler eine mit allen Wassern gewaschene Politikerin, die sich von ihrem Ehemann pro Forma scheiden ließ, um als Kandidatin anzutreten.
Denn er war bereits einmal Präsident gewesen, und als seine Ehefrau durfte sie nicht kandidieren. Und Jimmy Morales, nun, er war früher Komedian, hatte jahrelang eine eigene Sendung im Fernsehen und ist inzwischen ein recht erfolgreicher Unternehmer.
Wer hinter seinem Wahlkampf stand, war nicht so klar, ab und zu konnte man sogar in der überregionalen Presse lesen, es seien die gleichen Kräfte, die auch den abgesetzten Präsidenten unterstützt hatten. Fakt war, Jimmy Morales warb auf allen Plakaten damit, „weder Dieb noch korrupt“ zu sein, und das reichte wohl aus, um sich von den altbekannten Gesichtern zu unterscheiden.
Die Stichwahl vom 25. Oktober gewann er haushoch, im Januar wird er dann eingesetzt, ebenso tritt dann der neue Kongress zusammen. Der allerdings ist in der Mehrheit von der Lider-Partei besetzt, es wird sich also so schnell doch nichts ändern.
Die Demonstrationen in der Hauptstadt gehen weiter, jeden Samstag, um gegen die hohen Gehälter der Richter und Beamten zu protestieren und vieles mehr.

campesinos
Campesinos

studenten
Studenten protestieren

wahlplakat
Wahlkampf-Wagen für einen Außenseiter

Wuff
„Wuff, wuff, schleich dich, Otto“, gesehen in Xela

zentrum
Demonstration in Coban