Postamt Selvagems

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Man muss schon wissen, wo sie sind, um sie auf der Seekarte überhaupt zu finden. Die Ilhas Selvagems („wilde Inseln“), kaum mehr als eine Ansammlung einiger Felsbrocken auf dem Weg von Madeira zu den Kanaren.

Die Überfahrt dorthin ist recht zäh – fast ein ganzer Tag Flaute, ansonsten auch wenig Wind, aber das ist ja das Schöne, wenn man Zeit hat: man braucht einen Tag länger, um hinzukommen, dafür bleibt man einen Tag länger, weil es so schön ist.

Die Angaben im Revierführer klingen spannend: den Positionen sei nicht zu trauen, weil sie aus der Vor-Satelliten-Zeit stammen, die Karte verzeichne auch nur die wichtigsten Untiefen und einige Gebiete seien gänzlich unkartiert. Da fühlt man sich doch halb wie Herr Kolumbus, kramt sein altes Werkzeug aus der terrestrischen Navigation aus und nähert sich mit etwas mehr Adrenalin als üblich.

Geht aber alles gut, und so liegen wir dann bald in der Bucht, in der sich auch das Häuschen der einzigen Inselbewohner befindet: ein Parkwächter und drei Ornithologen, denn die Insel ist Naturschutzgebiet und Brutstätte für etliche Vogelarten, vor allem für eine große Kolonie von Gelbfuss-Sturmtauchern, die in der Dämmerung zu Hunderten ihre Kreise über der Bucht ziehen und zum Zwecke des sozialen Austauschs ihr charakteristisches „ouwa-ouwa“ ertönen lassen.

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Die Inselbewohner, auch durch Birgits frisch gebackenen Apfelkuchen freundlich gestimmt, haben uns dann am nächsten Tag die Insel gezeigt. In jeder zweiten kleinen Felshöhle nistet ein kleines Küken, das nur einmal täglich (später noch seltener) von den Eltern mit Nahrung beliefert wird, denn letztere kümmern sich ja mehr um den sozialen Austausch (s.o.) als um die Kinderpflege.

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Dafür haben die Bruthöhlen alle ihre eigene Hausnummer, vermutlich damit es bei der Postzustellung nicht zu Verwechselungen kommt. Die Insel hat nämlich ein eigenes Postamt, und Carlo, der Parkwächter, stempelt mit großer Hingabe unsere Postkarten ab. Briefkastenleerung allerdings nur einmal pro Monat, dann ist Schichtwechsel für die Bewohner. Das letzte Boot ist übrigens ein paar Stunden früher als geplant von Madeira aus losgefahren, deshalb gab es leichtes Durcheinander beim Einkaufen für die vier Wochen, und irgendwie fehlte am Ende das Bier. Sie haben noch zwei(!) Flaschen, aber noch über zwei Wochen vor sich. Zum Glück können wir mit Bordbeständen die größte Not lindern.

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Eine kleine Gecko-Art ist hier endemisch, und seit 2001 die überhandnehmenden Kaninchen und Ratten auf der Insel komplett ausgerottet wurden, erholt sich die Vegetation auf dem Hochplateau wieder. Eine Flechtenart diente füher zum Färben von Stoffen und aus einer anderen Pflanze wurde Seife gemacht. Für die Vögel und ihre Eier sowie das Sammeln dieser Pflanzen haben früher Fischer aus Madeira die lange Reise zu den Selvagems unternommen, bis das Gebiet unter Naturschutz gestellt wurde.

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Ich darf dann noch beim Auslegen von Bojen zur Ciguatera-Kartierung mithelfen, denn einer muss das Schlauchboot manövrieren, während Carlos die Bojen plaziert, und die Ornithologen sind nicht so aussenborder-affin. Hat Spass gemacht, und wenn ich zukünftig irgendwo mehrere Bojen in schnurgerader Reihe sehe, bin ich voller Hochachtung. Birgit und ich machen dann noch einen Schnorchelausflug zusammen mit vielen bunten Fischen, dann geht’s zurück zur Muktuk, denn morgen fahren wir weiter zu den Kanaren.

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